hr1 SONNTAGSGEDANKEN
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Krebs, Stephan

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Langen

Von Gott ausgelacht?

Von Gott ausgelacht?

Mit dem Lied "Feel" von Robbie Williams

„Du bist nicht verloren, auch wenn du dich gerade so fühlst. Dein Leben hat einen Sinn, auch wenn du ihn gerade nicht erkennst.“ Das ist – kurz gefasst – das Versprechen des heutigen Pfingstfestes. Und viele sehnen sich danach, dass es wahr wird. Es gibt eine Geschichte dazu. Sie handelt von Leuten, die gerade alles verloren haben, was ihnen wichtig war. Diese Leute hatten an einem großen Projekt mitgearbeitet: An einer Revolution der Nächstenliebe. Aber daran waren sie gescheitert – so scheint es zumindest. Nun liegen ihre Träume in Scherben. Und sie haben keine Ahnung, was jetzt aus ihnen werden soll. So sitzen sie trostlos beieinander. Da geschieht es: Sie bekommen einen Fingerzeig aus dem Himmel.

Bei diesen Leuten handelt es sich um die Jünger Jesu. Jesus ist weg – aufgefahren in den Himmel. Seine Jünger fühlen sich alleine gelassen – ohne Perspektive und ohne Ziel. Doch das ändert sich jetzt, zum Pfingstfest. Plötzlich hören die Jünger ein Brausen in der Luft. Ihre Blicke wandern nach oben. Aus dem Himmel kommt etwas auf sie zu, es sieht aus wie Feuerzungen. Eine für jeden Kopf. Und dann wird den Jüngern ganz anders. Ihre Herzen gehen auf. Sie erkennen, wie es für sie jetzt weitergehen kann. Begeistert erzählen sie, wie Gott sie gerade berührt. Die Bibel sagt: Sie werden erfüllt vom Heiligen Geist, also von der tröstenden Kraft Gottes. Diese Kraft macht sich sogar sichtbar - in den Feuerzungen. Das sehen natürlich auch die Leute auf der Straße. Ein Feuerspektakel vom Himmel? – Neugierig kommen viele näher. Internationales Volk, denn in Jerusalem, wo das Ganze stattfindet, leben Menschen mit ganz verschiedenen Kulturen, Religionen und Sprachen. Und die staunen nicht schlecht. Denn jeder von ihnen hört in seiner eigenen Sprache, was die Jünger reden. Ein Menschheitstraum: Alle verstehen einander! Hier wird er für einen Moment Wirklichkeit.

So erzählt die Pfingstgeschichte der Bibel, was der Heilige Geist bewirken kann. Er schenkt Verstehen. Er begeistert für das Leben, für den Glauben und für Gott. Er zeigt Menschen, wo ihr Platz im Leben ist. Man könnte neidisch werden. Denn so gut wie den Jüngern geht es vielen heute nicht. Viele fühlen sich nicht recht wohl in ihrer Haut. Ihre Tage gehen ziellos dahin. Nicht wenige werden umgetrieben von einem unbändigen Hunger nach Leben, doch niemals werden sie satt. Immer fehlt etwas. Wie sich das anfühlen kann, beschreibt der englische Popsänger Robbie Williams in einem Lied. Es ist eines seiner größten Hits geworden. Sein Titel lautet „Feel“, zu deutsch: Gefühl oder Fühlen. In die Musik hat der Sänger all seine Sehnsucht nach einem erfüllten Leben gelegt. Die erste Strophe lautet so:

Komm und halte meine Hand. Ich will mit den Lebenden in Berührung kommen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Rolle verstehe, die mir gegeben wurde. Ich sitze hier und spreche mit Gott. Und er lacht nur über meine Pläne. Mein Kopf spricht eine Sprache, die ich nicht verstehe.

Musik: Erste Strophe von „Feel“

Robbie Williams trägt einen inneren Kampf mit sich aus. Er singt: „Mein Kopf spricht eine Sprache, die ich nicht verstehe.“ Und niemand ist zur Stelle, der ihm Verstehen schenken könnte. Weit und breit findet sich kein Heiliger Geist. Im Gegenteil! Robbie Williams singt: „Ich sitze hier und spreche mit Gott. Und er lacht nur über meine Pläne.“ Dieser Satz berührt mich sehr, weil ich ihn so besonders traurig finde. Hier ruft ein Verzweifelter zu Gott. Aber der lacht ihn nur aus?! Was Robbie Williams hier singt, ist gewissermaßen eine Anti-Pfingstgeschichte. Darin schickt Gott keinen feurigen Heiligen Geist, der tröstet, der verstehen schenkt und dem Leben ein Ziel weist. Im Gegenteil: Der Verzweifelte fühlt sich von Gott ausgelacht. Traurig! Aber damit singt Robbie Williams sicher nicht nur sich, sondern auch vielen anderen aus der Seele. Und er beschreibt auch, welche Auswirkungen es hat, so von Gottes gutem Geist verlassen zu sein.

Ich will einfach nur echte Liebe spüren, fühlen, wo ich zuhause bin. Denn durch meine Venen fließt zu viel Leben, das vergeudet wird. Ich will nicht sterben. Aber ich bin auch nicht wirklich scharf darauf zu leben. Bevor ich mich verliebe, bereite ich mich schon darauf vor, sie zu verlassen. Ich ängstige mich zu Tode, deshalb renne ich immer weiter. Bevor ich angekommen bin, sehe ich mich schon dort.

Musik: „Feel“

Ein Leben, das schwankt in den Stürmen der Empfindungen: Mal erscheint es Robbie Williams als belanglos, mal als etwas sehr kostbares. Nur eines erkennt er ganz klar: Sein Leben verrinnt. Es droht, vergeudet zu werden. Deshalb möchte er es möglichst intensiv auskosten. Doch gleichzeitig scheut er davor auch zurück. Er will intensive Liebe spüren. Doch bevor sie bei ihm überhaupt ankommen könnte, rennt er schon weg. Er will ewig leben. Oder doch lieber nicht? Eindrücklich besingt Robbie Williams ein modernes Lebensgefühl voller Sehnsüchte und Widersprüche. Viele werden darin ihre Situation wiederfinden.

Da ist die Frau Anfang 40. Eigentlich sehnt sie sich schon lange nach einer festen Partnerschaft. Aber zugleich will und kann sie sich nicht festlegen. Sie ist auf der Suche nach der ultimativen Liebe. Denn die, so hofft sie, wird ihren Lebenshunger stillen. Doch immer wieder wird sie enttäuscht. Die ersehnte Liebe, die dem Leben alles gibt, was es braucht, stellt sich einfach nicht ein. Da ist der, der in einer wichtigen Position arbeitet. Vieles hängt von ihm ab. Er trägt Verantwortung. Er arbeitet bis zum Umfallen. Er hat Erfolg. Er wird geschätzt. Doch das alleine erfüllt ihn nicht. Ihm fehlt etwas. Am Ende der langen Arbeitstage fühlt er sich leer. Und er fragt sich: Wofür tue ich das alles? Für das Gehalt? Für den Erfolg? Für die Firma? Doch keine dieser Antworten stellt ihn wirklich zufrieden. Etwas Entscheidendes fehlt. Da ist eine Leerstelle, ein Loch.

Musik: „Feel“

Da ist ein Loch in meiner Seele. Du kannst es in meinem Gesicht sehen. Es ist wirklich groß.

Ein Loch klafft in der Seele. Ein starkes, ein schreckendes Bild! Was kann es schließen? Wer kann das Leben wirklich erfüllen? Dafür gibt es viele Versuche. Einer davon ist Arbeit. Ein anderer Erfolg. Manche suchen ihr Heil in Reichtum und Reisen. Oder in einem Hobby bis hin zur Leidenschaft. Oder in ehrenamtlichem Engagement. In all dem kann sich Lebenssinn erschließen. Doch nichts davon kann das Loch in der Seele wirklich ausfüllen. Das zeigt Robbie Williams. Er ist der einzige Popstar, der ins Guiness-Buch der Rekorde eingetragen wurde. Eine komplette Konzert-Tournee von ihm war innerhalb von wenigen Stunden ausverkauft. Williams hat seine Erfüllung als Musiker gefunden und damit auch viel Geld verdient. Und dennoch klaffte auch in seiner Seele dieses Loch. So beschreibt er es zumindest in seinem Lied „Feel“, dass er im Jahr 2002 veröffentlicht hat.

Seitdem ist in seinem Leben einiges passiert. Er hat sich getraut zu lieben und nicht weg zu laufen. Er ist eine feste Bindung zu einer Frau eingegangen. Und er ist Vater geworden. Das Loch in seiner Seele – so scheint es - ist kleiner geworden. Doch ganz schließen lässt es sich wohl nicht. Allenfalls kurze, erfüllte Momente vermögen das Seelenloch zu überbrücken. Doch dann klafft es wieder auf. Selber kann man es eben nicht ganz schließen. Das muss jemand anderes für einen tun.

Diesen Jemand beschreibt die Pfingstgeschichte in der Bibel als Gottes Heiligen Geist. Allerdings nicht auf Bestellung und schon gar nicht auf Befehl. Der Heilige Geist schenkt sich, wann er will und wo er will. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Je nach dem. Für manche ist das schwer zu ertragen. Zum Beispiel für alle, die ihr Leben gerne selbst planen und im Griff haben wollen. Und für alle, die auf niemanden als sich selbst angewiesen sein wollen.

Eine gute Nachricht ist das für diejenigen, die die Grenzen ihrer eigenen Möglichkeiten erkannt haben. Und die es schaffen, sich Gott anzuvertrauen. Sie erleben, dass Gottes guter Geist sie auch dann noch weiter tragen kann, wenn sie selbst schon am Ende sind. Das haben Menschen erfahren und erzählen auch davon. Das Loch in ihrer Seele kann geheilt werden. Und manche sagen, das fühlt sich dann so an:  Gott lacht nicht über sie, sondern mit ihnen.