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Auksutat, Ksenija

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

Tracy Chapman: Heaven's here on earth

Tracy Chapman: Heaven's here on earth

Wenn vom „Himmel“ die Rede ist, denken die meisten Menschen an etwas Wunderschönes. Himmel – das ist ein Sinnbild für Harmonie und Frieden. Der Himmel ist darum auch ein Ausdruck für den Glauben: Gottes Reich ist der Himmel, dort herrscht ewiger Frieden, und wer stirbt, kommt – hoffentlich – in den Himmel.

Jahrhunderte lang haben Prediger mit diesen Bildern vom Himmel, der so ganz anders ist als die Erde mit ihren Kriegen und Problemen, die Menschen vertröstet über ihren oft schlimmen Alltag hinweg. Und mit diesen Bildern räumt Tracy Chapman auf. Sie kehrt alles um. Der Himmel ist auf Erden, sagt sie:

You can look to the stars in search of the answers
Look for God and life on distant planets
Have your faith in the ever after
While each of us holds inside the map to the labyrinth
And heaven's here on earth

„Man kann die Sterne deuten auf der Suche nach Antworten
Nach Gott fragen und dem Leben auf fernen Planeten
Ans Jenseits glauben
doch jeder von uns trägt die Landkarte in sich,
die durchs Labyrinth führt
Und der Himmel ist hier auf Erden


„Heaven’s here on earth“, der Himmel ist hier auf Erden. Tracy Chapman weiß, dass es auf der Erde nun wirklich nicht immer himmlisch zugeht. Sie engagiert sich mit ihrer Musik seit mehr als zwei Jahrzehnten gegen Ungerechtigkeit, Rassismus und Ausbeutung. Weltweit bekannt wurde Tracy Chapman, als sie für Nelson Mandela gesungen hat, bei seiner Geburtstagsfeier nach dem Ende der Apartheid in Südafrika.

Frieden und Gerechtigkeit, das sind wichtige Themen in vielen ihrer Stücke. Ruhig, nur von wenigen Instrumenten begleitet, ohne große Show-Effekte, so kommt ihre Musik daher. Aber inhaltlich – da sind ihre Songs oft hoch aufgeladen. Sie zeigt die Schattenseiten des amerikanischen Traums. Da geht es um Veränderung, ja um Revolution. In diesem Song hier setzt sie sich kritisch mit einem Glauben auseinander, der sagt: Politik hat mit dem Himmel doch nichts zu tun, Politik geht doch die Kirchen nichts an!

„Look around
Believe in what you see
The kingdom is at hand
The promised land is at your feet
We can and will become what we aspire to be
If Heaven's here on earth
If we have faith in humankind
And respect for what is earthly
And an unfaltering belief that truth is divinity
And heaven's here on earth”

Schau dich um
Glaube, was du siehst
Das Himmelreich ist zum Greifen nah
Das Land der Verheißung liegt vor deinen Füßen
Wir können und werden das, wonach wir streben
Wenn der Himmel hier auf Erden ist
Wenn wir Glauben haben an die Menschheit
Und Respekt für alles Irdische
Und einen unbeugsamen Glauben,
dass Wahrheit göttlich ist
und Himmel hier auf Erden


Der Himmel, der ist für Tracy Chapman im Hier und Jetzt, hier auf Erden. Sie fordert Respekt für das Irdische. Sie nimmt die Schönheit der Erde und der Menschen ernst. Aber sie tut auch die Probleme der Menschheit nicht ab. Ein recht verstandener Glaube sieht die Not, packt zu, wo Hilfe nötig ist, sieht im anderen den Nächsten, den Mitmensch.

Ich denke, jeder versteht, was sie meint. Denn es gibt genug zu tun, in einer Welt voller Gegensätze, in der manche so viel verdienen und andere von früh bis spät arbeiten und doch kaum das Nötigste haben. Und in der so viele auf Unterstützung und Hilfe angewiesen sind. Kein Mensch kommt ganz allein durchs Leben. Jeder braucht Wegbegleiter. Für Tracy Chapman können Menschen einander zu einem Engel werden

I've seen and met angels wearing the disguise
Of ordinary people leading ordinary lives
Filled with love, compassion, forgiveness and sacrifice
Heaven's in our hearts

Ich habe Engel gesehen und getroffen,
sie tragen die Verkleidung der normalen Leute
die ein gewöhnliches Leben führen
Erfüllt von Liebe, Mitleid, Vergebung und Hingabe
Himmel ist hier in unseren Herzen


Menschen können anderen zu Engeln werden. Tracy Chapman spricht aus, was viele in ihrem Leben erfahren. Wenn nicht himmlische Wesen oder unsichtbare Wunderkräfte am Werk sind, sondern echte Menschen, die sich voller Liebe und Mitgefühl um andere kümmern. Das Lied ermutigt. Es fordert auf, das Gute auf der Erde zu sehen, ja, die Erde durch sein eigenes Tun zu verbessern.

Ein Video zu diesem Song zeigt, woran sie konkret denkt: Freiwillige, die sich in Entwicklungsländern für die Ärmsten der Armen einsetzen. Pflegekräfte, die Hochbetagten helfen, Großeltern, die sich um ihre Enkel kümmern. Damit ist sie ganz nah am Glauben, wie die Bibel ihn lehrt. Die Bibel vertröstet eben nicht aufs Jenseits. Gott wurde selbst Mensch. In Jesus.

„Das Reich Gottes ist zu euch gekommen“, so sagt Jesus, (Mt 12,28b) „es ist mitten unter euch.“ (Lukas 17,21)

Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter zum Beispiel, wo jemand einem Verletzten hilft. Jesus sagt es: Wir sollen nicht achtlos an den Notleidenden vorüber gehen, sondern uns gegenseitig beistehen.

Wie dieser Glaube hier auf Erden gelebt werden kann, ist auch zu finden in den überlieferten Worten der Bibel, in den Erinnerungen seiner Jünger und Jüngerinnen. Sie haben gelebt, sie waren in den Dörfern und Städten ihrer Zeit unterwegs. Sie haben Essen und Besitz geteilt, Kranke geheilt, Schwache getröstet. Ein Stück Himmel auf Erden, schon damals.

I've seen spirits
I've met angels
I've touched creations beautiful and wondrous
I've been places where I question all I think I know
But I believe, I believe, I believe this could be heaven

Ich habe Mächte gesehen
Ich bin Engeln begegnet
Ich habe schöne und wundervolle Werke berührt
Ich war an Orten, wo ich alles in Frage gestellt habe, dass ich wusste
Aber ich glaube, ich glaube, ich glaube
das könnte der Himmel sein


Ich frage mich aber: Ist er das wirklich? Ist der Himmel hier? Oder ist das doch etwas Größeres? Der Gegensatz von Himmel und Erde ist es doch gerade, was uns zum Handeln ruft. Wenn der Himmel das Bild ist für Frieden und Harmonie, dann steht die Erde für die Gegensätze, die Spannungen. Es ist eben nicht alles gut und schön hier auf Erden. Krieg, Not und Elend gibt es genauso wie Krankheit, Bosheit und Tod. Viele, die anderen helfen wollen, und zum Beispiel als Krankenschwester oder Entwicklungshelfer arbeiten, merken irgendwann: Sie brauchen viel Kraft, um ihren Idealismus zu bewahren.

Ich kenne jemanden, der wollte nach der großen Tsunami-Katastrophe in Asien helfen. Er war Schreiner und flog mit seinen Werkzeugen nach Bali. Das habe ich sehr bewundert, viele haben Geld gespendet, damit er dort konkret Menschen hilft. Aber dann gab es dort Schwierigkeiten, die Behörden wollten mitreden, es wurde betrogen. Und ziemlich enttäuscht, dass er nur so wenig hatte tun können, kam er nach drei Monaten wieder zurück nach Hause. Dennoch war sein Einsatz wichtig. Er hat Anteilnahme gezeigt, war als Mensch über Meere und Kontinente hinweg zu anderen Menschen in Not gekommen.

Der Glaube daran, dass die Menschheit es wert ist, sich immer wieder füreinander einzusetzen, soll wachsen. Das ist die Verheißung des Himmels und das ist auch der Wunsch von Tracy Chapman am Ende ihres Songs:

Heaven’s here on earth
If we have faith in humankind
And respect for what is earthly
And an unfaltering belief
In peace and love and understanding
This could be heaven here on earth

Der Himmel ist hier auf Erden
Wenn wir Glauben haben an die Menschheit
Und Respekt für alles Irdische
Und einen unbeugsamen Glauben, dass Wahrheit göttlich ist
Dann könnte der Himmel sein hier auf Erden


Das ist die Bedingung: Der Himmel gehört zur Erde, weil er die Hoffnung wach hält, dass das hier auf Erden nicht alles ist und dass es nicht für immer so sein wird. Der Himmel überspannt die Erde, umschließt sie. Das gilt nicht nur für den kosmischen Himmel, die Erdatmosphäre mit Wetter und Wolken.

Auch der gedankliche Himmel des Glaubens umspannt unsere Welt. Ja, jeder ist Teil dieses Himmels, schon jetzt. Wir hören davon, er ist verheißen. Es gibt uns Hoffnung und Mut, wenn wir daran fest glauben. Aber leben, leben tun wir auf der Erde, und es kommt auf jeden an hier. Jemandem ein Lächeln schenken, für Menschen in Not Hilfe organisieren, Kranken beistehen, das alles ist das wichtig.

Für mich zeigt sich so der Glaube, dass Gott nicht fern ist, sondern nah. Tracy Chapman erinnert mit ihrem Song daran. Wenn wir es umsetzen könnten, wenigstens ein bisschen, dann könnte der Himmel sein - hier auf Erden.