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Auksutat, Ksenija

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Stockstadt

Irischer Segen

Irischer Segen

Heute ist St. Patricks Day, der irische Feiertag überhaupt. Das irische Guiness-Bier hat es mir nicht so angetan, aber der irische Segen umso mehr. Ich liebe die irischen Segenswünsche. Sie sind tiefgründig, poetisch - und sie sind liebevoll, zum Beispiel dieser hier:

„Segenswünsche mögen dich begleiten.
Wenn der Sommer kommt, umfange dich eine sanfte Brise.
Ein wärmendes Feuer sei dir nicht fern, wenn der Winter naht.“


Ach ja, jetzt kurz vor Frühlingsanfang, da tut so ein Segen gut. Denn noch kann das Wetter draußen sich ja nicht entscheiden zwischen wärmendem Sonnenschein und eisigen Ostwinden, die noch an den Winter erinnern. Und Irland ist ja eine Insel im Atlantik, umspült vom Golfstrom und darum mit einem gemäßigten Klima, aber ziemlich feucht. Und ziemlich abgeholzt. Deswegen werden viele Häuser dort auch nicht mit Holz beheizt, sondern mit Torf, eine mühselige Angelegenheit.

Mein Mann fährt im Herbst jedes Jahr mit ein paar Freunden nach Irland, in den Nordwesten der Insel. Alles ist wunderschön dort, erzählt er und ich sehe es auf den Fotos: satt grün das Land bis zum Horizont, der Blick wandert mit den Schwüngen der Hügel sanft auf und ab. Und feucht ist es. Mindestens einmal am Tag regnet es, so seine Erfahrung. Die Iren sind wohl ein bisschen wie das Wetter auf der Insel: rau, aber herzlich. Sie haben gelernt, mit dem Unvermeidlichen zu leben. Und sie haben ihren Glauben, gepaart mit einem Augenzwinkern.

Denn auch in Irland, der grünen Insel, ist nicht alles so harmonisch. Nicht nur der Nordirland-Konflikt mit Großbritannien, auch in Irland selbst mögen sich natürlich nicht alle Menschen, es gibt Nachbarschafts-Streitigkeiten genauso wie Familienzwiste. Doch auch dafür  haben die Iren einen Segen gefunden.

„Mögest du ein gutes Gedächtnis haben,
wenn du an gute Menschen denkst,
aber ein kurzes, wenn du an schlechte denkst.“


Woher nur haben die Iren diesen Glauben, so fromm und gleichzeitig so verschmitzt? Nun, das muss wohl mit diesem St. Patrick zusammen hängen, dem irischen Nationalheiligen. Was weiß man eigentlich über ihn?

Patrick wurde in Wales geboren am Ende des 4. Jahrhunderts, als das römische Reich schon beinahe zusammen gebrochen war. Patrick hieß eigentlich Patricius  und war der Sohn eines römischen Offiziers in der Provinz Britannia. Über seinen Vater weiß man, dass er Christ war und als Diakon in der örtlichen Kirchengemeinde tätig war. Patricius war demnach bereits im christlichen Glauben erzogen worden und stolz auf seine Religion und Bildung. Doch als er 15 Jahre alt war, wurde er vom Landgut seiner Eltern von gälischen Sklavenjägern geraubt und nach Irland verkauft.

Nach den Legenden, die sich um sein Leben ranken, konnte er fliehen und fand Zuflucht in Südfrankreich in einem Kloster. Nach einer gründlichen Ausbildung und Weihe zum Priester wurde er dann ausgerechnet zurück nach Irland gesandt. Er wurde also ein Bote des Glaubens für das Land, das ihn seiner Freiheit beraubt hatte. Patrick übte seine Missionstätigkeit in Irland bis zu seinem Tod, angeblich am 17. März 461, aus.

Patrick hatte aber nicht nur seine Religion nach Irland mitgebracht, sondern auch seine Bildung. Er gründete Klöster, Schulen und Kirchen im ganzen Land. Geschichten wurden von nun an niedergeschrieben und nicht mehr nur mündlich überliefert. Er wurde später heilig gesprochen und zum Nationalheiligen für Irland. Ein Ort, der mit ihm in enger Verbindung steht ist der Croagh Patrick – Irlands heiligen Berg. Dort soll im Jahr 441 nach Christus der Sage nach St. Patrick mehrere Wochen lang gefastet und gebetet haben.

Mein Mann und seine Freunde wandern auch jedes Jahr dort hinauf. Der Berg ist immerhin fast 800 Meter hoch, für den Aufstieg braucht man drei bis vier Stunden. Eine Seilbahn gibt es nicht. Nicht mal ein ordentlicher Wanderweg führt hinauf.  Über lose Steine und durch matschige steile Wiesen muss man sich seinen Weg hoch kämpfen. Kein Restaurant erwartet die Gläubigen auf dem Gipfel, nur eine kleine Kirche. Und das, obwohl jedes Jahr tausende Iren – zum Teil barfuß oder auf Knien rutschend – den Berg auf den Spuren von St. Patrick  besteigen. Auf diesem mühseligen Aufstieg mag den Iren zum Trost dieser Segen in den Sinn gekommen sein.

„Gott möge dich mit Fröhlichkeit segnen,
so dass du ein glückliches Herz hast
in allen Lebenslagen.“


Das heißt doch: Das Leben ist manchmal mühsam und unwegsam, wie der Aufstieg auf den St. Patricks-Berg. Doch mit dem Segen spürt man Gottes Geleit auf dem Lebensweg. Segen ist Gottes Zuneigung. Irische Segen sind Botschaften, die von dieser Insel aus um die Welt gehen.  Das liegt daran, das die Lebenserfahrung von Patrick und vielen Iren darin verpackt sind, zusammen mit einer Portion Humor.

Was Patrick erlebt hat, trägt dazu bei, dass er ein Vorbild im Glauben wurde. Er hatte ein wirklich schweres Lebensschicksal. Er verlor Heimat und Familie. Den wilden Fremden, die ihm seine Freiheit geraubt hatten - denen widmete er später sein Leben. Vielleicht mit Worten wie diesen.

„Gott gebe dir
für jeden Sturm einen Regenbogen,
für jede Träne ein Lachen,
für jede Sorge eine Aussicht
und eine Hilfe in jeder Schwierigkeit.“


Wer den Segen geschenkt bekommt, der sollte ihn nicht nur für sich behalten, er soll ihn weitergeben. Wer sein Glück gemacht hat, wird mit einem augenzwinkernden Segen daran erinnert zu teilen:

„Mögen deine Taschen schwer und voll sein von guten Gaben,
aber dein Herz sei leicht, wenn du sie verteilst.“


Teilen, den Armen gegenüber barmherzig sein, das mussten die Iren oft. Viel zu oft haben die Iren Leid und Elend erlebt. Hungersnöte führten zu großen Auswanderungswellen. Viele Iren mussten in fremden Ländern neu anfangen.  Mut gehört auf jeden Fall dazu, und Gottvertrauen. Ihren Glauben nahmen sie überall hin mit, der durch Mühsal hindurch Wege findet. Und ihre Art, zu segnen.

So kam der Segen von der grünen Insel in alle Welt. Die einfachen, klaren Worte berührten überall die Herzen der Menschen. Mich erreichten sie das erste Mal mit einem Segen, der zu einem Lied wurde:

„Möge die Straße uns zusammen führen
und der Wind in deinem Rücken sein!“


So beginnt ein irisches Segens-Lied, das wir am Ende von allen Gemeindeausflügen singen. Eigentlich liebt es jeder, wenn er das zum ersten Mal gehört hat. Wir alle sind unterwegs auf dem Weg unseres Lebens. Wir freuen uns, wenn die Wege glatt und eben sind. Wir leiden, wenn wir in Sackgassen geraten und dann umkehren müssen. Noch schlimmer, wenn wir auf dem falschen Weg sind. Da hilft es, unerschrocken zu sein, oder wie es in diesem Lied in der dritten Strophe heißt.

„Hab’ unterm Kopf ein weiches Kissen,
habe Kleidung und das täglich Brot;
sei über vierzig Jahre im Himmel,
bevor der Teufel merkt: du bist schon tot.“


Doch es geht auch um den Respekt vor Gottes Größe, und darum, was man sich dringend wünscht:

„Bis wir uns 'mal wiedersehen, hoffe ich, dass Gott dich nicht verlässt.
Er halte dich in seinen Händen, doch drücke seine Faust dich nie zu fest.“


Der große Gott und meine Hoffnungen fürs Leben so eng verbunden, das ist für mich das Geheimnis der irischen Segen.  Deshalb sind sie so wunderbar für viele Gelegenheiten, für alle Tage hilfreich, als Begleiter für Familien und auch auf dem einen oder anderen schweren Weg. Gott segnet uns reichlich, mit seinem Segen müssen wir nicht sparen. Das hat St. Patrick den Iren beigebracht. Sie haben den Segen weiter getragen. Einen letzten gebe ich Ihnen miteinander für diesen Sonntag:

„Ich wünsche dir von Herzen:
Jemanden, den du lieben kannst,
genug Arbeit,
stets ein bisschen Sonne,
ein Quäntchen Fröhlichkeit
und einen wachsamen Engel
in deiner Nähe.“