hr1 SONNTAGSGEDANKEN
hr1
Krebs, Stephan

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Langen

Zum Lied “If today was your last day” von Nickelback

Zum Lied “If today was your last day” von Nickelback

Der Countdown auf Weihnachten hat begonnen. Heute ist der erste Advent. Auf dem Adventskranz darf die erste Kerze angezündet werden. Musik liegt in der Luft. Viele kennen das Lied: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit.“ Es ist das Lied zum ersten Advent. Nummer eins im Evangelischen Gesangbuch. Mit diesem „Herrn der Herrlichkeit“ ist Jesus Christus gemeint. Seine Geburt wird an Weihnachten gefeiert. Weihnachten ist Geburtstag. Und was ist dann der Advent? Die Zeit der Vorfreude? Ja, und noch weit mehr. Auch das macht das Lied „Macht hoch die Tür“ deutlich. Am Ende heißt es da:

Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
meines Herzens Tür dir offen ist.
Dein Heiliger Geist uns führ und leit,
den Weg zur ewgen Seligkeit.


Ganz schnell kommt das Lied von der Geburt Jesu bis zur ewigen Seligkeit. Also vom Zauber des Anfangs hin zur Frage, was am Ende des Lebens noch kommen kann. Genau danach fragt auch die Popgruppe Nickelback in einem ihrer aktuellen Songs. Er heißt: “If today was your last day”. Sein Refrain lautet:

Wenn heute dein letzter Tag wäre, und es Morgen zu spät sein würde, könntest du auf Wiedersehen zu Gestern sagen? Würdest du jeden Moment leben als wäre es dein letzter? Die alten Bilder in der Vergangenheit lassen? Jeden Groschen, den du hast, verschenken?

Wenn heute dein letzter Tag wäre, was würdest du tun? Dieser Frage geht die Gruppe Nickelback in ihrem Lied weiter nach. Dabei wird allerdings schnell deutlich: Es geht den vier Musikern nicht wirklich um den letzten Tag. Mit ihrer provokativen Frage wollen sie aufrütteln, jetzt schon intensiv zu leben. Mit jedem Tag verrinnt etwas von der eigenen Lebenszeit. Jeder weiß das. Aber nur selten stellt man sich dieser Tatsache wirklich. Nickelback tut das in dem Lied. Und sie treffen damit das nach intensivem Leben drängende Lebensgefühl, das viele heute haben.

Wenn heute dein letzter Tag wäre, was würdest du tun? Diese Frage könnte man religiös beantworten. Man könnte sagen: Dann bete ich und hoffe, dass es das wirklich gibt: die ewige Seligkeit, ein Leben nach dem Tod. Wie es die Bibel in wunderschönen Bildern erzählt. Seligkeit ist, wenn Gott alle Tränen von den Augen abwischen wird. Der Tod wird dann nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz. Alles ist ganz neu, die Erde und der Himmel. So heißt es am Ende der Bibel. Schön, aber ohne Beweise und fremd für das heutige Denken. Viele können das heute nicht mehr glauben. Nickelback offenbar auch nicht. Sie schaut in ihrem Lied nur in die andere Richtung: auf das Leben davor.

Dennoch enthält der Text viele christliche Anspielungen. Etwa wenn das Lied fragt: Würdest du jeden Groschen, den du hast, verschenken? Das spielt auf eine biblische Geschichte an. Sie erzählt von einem jungen Mann. Er ist smart, erfolgreich, wohlhabend. Aber er spürt, dass das nicht genug ist. Deshalb geht er auf Jesus zu und will wissen: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?“ Jesus sieht den Mann an, sieht, wie sehr er gefangen ist in seinem Wohlstand und allem, was damit zusammenhängt. Und rät ihm: „Verkaufe, was du hast und gib es den Armen. So wirst du einen Schatz im Himmel haben.“ Das kann der junge Mann nicht. Zu sehr hängt er an all den schönen Dingen. Betrübt geht er davon. Ähnlich radikal ist auch der Rat, den die Gruppe Nickelback in ihrer ersten Strophe geben.

Mein bester Freund hat mir den besten Rat gegeben. Er sagte: Jeder Tag ist ein Geschenk und kein gegebenes Anrecht. Drehe jeden einzelnen Stein um. Lass´ deine Ängste hinter dir. Und versuche den Weg zu nehmen, auf dem die wenigsten reisen. Dein erster Schritt muss ein Riesenschritt nach vorne sein!

In ihrem Lied macht die Gruppe Nickelback viele Anspielungen auf biblische Motive. Wenn sie singt: „Lass deine Ängste hinter dir“, dann klingt ein Satz von Jesus Christus an, der gesagt hat: „In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden.“ Nickelback empfiehlt: „Versuche den Weg zu nehmen, auf dem die wenigsten reisen“. Es bleibt offen, was damit gemeint ist. Mutig nach dem eigenen, individuellen Weg zu suchen? Oder schwingt auch eine Warnung von Jesus Christus mit? Der hat in der Bergpredigt gesagt: „Breit ist der Weg in die Verdammnis und viele gehen auf ihm. Schmal ist dagegen der Weg, der zum Leben führt und nur wenige finden ihn.“

Wie immer man das deuten mag, in jedem Fall bleibt die Frage: Was wäre auf diesem richtigen Weg zu tun? Nickelbacks Antwort: Lebe jeden Moment intensiv. Das klingt irgendwie richtig. Es ist aber kaum durchzuhalten. Intensiv leben – das geht immer nur momentweise. Wer mehr will, überfordert sich und das Leben. Manchmal habe ich sogar den Eindruck: Je mehr man versucht intensiv zu leben, desto schlechter klappt es. Man verkrampft sich. Man fürchtet, dass es immer noch intensiver sein müsste, als es gerade ist. Schnell brennt man so innerlich aus - Burnout. Möglicherweise fühlt sich das Leben am intensivsten an, wenn man darüber gerade nicht nachdenkt. Klar ist: Intensive Momente entstehen meist, wenn man mit Leuten zusammen ist, die einem wichtig sind. Danach fragt auch die Gruppe Nickelback.

Würdest du die alten Freunde anrufen, die du nie siehst? In alten Erinnerungen schwelgen? Würdest du deinen Feinden vergeben? Würdest du den einen finden, von dem du schon immer träumst? Schwören bei Gott und allem, was dir heilig ist, dass du dich zuletzt verlieben kannst? Wenn heute dein letzter Tag wäre.

Die Gruppe Nickelback findet: Spätestens am letzten Tag sollte man endlich so leben, wie man es eigentlich schon immer hätte tun sollen. Zum Beispiel seinen Feinden vergeben. Das klingt wie Jesus Christus in der Bergpredigt. Wörtlich heißt es da: Ihr habt gehört, das gesagt ist: „Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen.“ Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde.“ Diese radikale Forderung Jesu ist berühmt, selbst unter Nichtchristen. Vielleicht sogar berüchtigt, denn sie scheint den Menschen, wie er nun einmal ist, zu überfordern. Haben viele Menschen doch schon genug Mühe damit, sich selbst zu lieben und die Menschen in ihrer Nähe wirklich ins Herz zu schließen. Und dann auch noch die Feinde? Die Idioten auf der Straße, die einen behindern oder gar bedrängen! Bei der Arbeit, die Konkurrenten um Jobs und Aufträge?! Die Egoisten, die sich auf meine Kosten breit machen? Aber ist der Ärger über sie wirklich wichtig, wenn heute mein letzter Tag wäre? Und wenn es dann nicht mehr wichtig ist, dann ist es doch eigentlich auch jetzt schon nicht so wichtig? Was letztlich zählt ist die Liebe, davon zeigt sich die Gruppe Nickelback überzeugt.

Würdest du dein Zeichen setzen, indem du ein gebrochenes Herz heilst? Du weißt, es ist niemals zu spät, nach den Sternen zu greifen, egal wer du bist. Also tu, was immer nötig ist, denn du kannst keinen Moment im Leben zurückdrehen. Lass´ dir nichts im Wege stehen, denn die Hände der Zeit sind niemals auf deiner Seite.

Lieben – sich und die anderen. Diesen Gedanken führt das Lied in seiner letzten Strophe fort. Damit könnte ein gebrochenes Herz geheilt werden. Auch dabei steht von Ferne Jesus Christus Pate. Er zog durch das Land und kümmerte sich um die Kranken, die Mühseligen und Beladenen. Er heilte ihre Wunden, ihre Seelen und ihre Herzen. Diesem großen Vorbild selber ein paar kleine Schritte folgen – das wäre ein großartiges Programm, nicht nur für den letzten Tag, sondern für das ganze Leben. Das wäre christlich, humanistisch, menschenfreundlich – alles zusammen.

Aber einen Unterschied gibt es doch. Und auch den deutet Nickelback an, sie singt: „Es ist niemals zu spät, nach den Sternen zu greifen, egal wer du bist.“ Hier wandert der Blick dann doch über das irdische Leben hinaus, sucht nach Halt bei den Sternen im weiten Himmel. Wo die Träume zuhause sind und die ganz großen Ziele. Wo für Christen auch Gott und die ewige Seligkeit ihren Ort haben. Dort trocknet Gott alle Tränen und die Macht des Todes ist gebrochen. Darauf hoffen zu können, das macht den Unterschied aus. Und darum geht es in der Adventszeit. Sie fragt: Wenn heute dein letzter Tag wäre. Wäre dann Morgen alles aus? Nein, sagt der Glaube, denn dann gilt heute schon das Verspechen von Jesus Christus: „In der Welt habt ihr Angst. Aber seid getrost. Ich habe die Welt überwunden.“ Das Großartige an diesem Wort ist: Es wirkt sich nicht erst dann aus. Sondern bereits jetzt. Es hilft, jetzt getrost und erhobenen Hauptes zu leben.

Textnachweis:
Die Geschichte vom reichen jungen Mann:          Matthäus 19, 16 ff
Das Wort von der Seligkeit                                        Offenbarung 21, 1-5
Das Wort gegen die Angst:                                       Johannes 16, 33
Das Wort vom breiten Weg in die Verdammnis: Matthäus 7, 13.14
Das Wort von der Feindesliebe:                               Matthäus 5, 43 f