hr1 SONNTAGSGEDANKEN
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Wildfang, Christoph

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Arnoldshain

Ja

Ja

„Ja,“ sagt die Braut und strahlt ihren Mann an. Der sagt auch „ja“. Laut und deutlich. Ein wichtiger Moment bei der Trauung. Dieses Ja soll tragen. Für ein Leben lang halten.

Ich denke an wichtige Momente in meinem Leben, wo mir ein Ja wichtig war: Ja, den Führerschein bestanden. Hier ist der Lappen! Dann das Glücksgefühl in der Hand, früher dieses graue Stück weiches Papier. Oder: Ja, die Prüfung bestanden. Glückwunsch. Und: Ja, die Stelle, auf die ich mich beworben hatte: Sie sind gewählt. Während ich mich bei der Hochzeit mitfreue, läuft bei mir Kino im Kopf: Kleinere und größere wichtige Ja´s: Das einfache „Ja, prima!“ von den Eltern nach einer guten Klassenarbeit oder ganz früher schon, wenn ich ihnen ein selbstgemaltes Bild schenkte. So das wunderschöne aufbauende Gefühl: „Ja, du kannst das!“ Dieses fröhliche Kindheits-Ja trägt mich bis heute, auch wenn mir als Erwachsener eben auch oft ein Nein dazwischenfährt. Ein Nein wirft mich heute so schnell nicht um. Weil ich mit vielen Ja´s aufgewachsen bin. Das ist ein heimatliches, sicheres Gefühl!

Zurück zur Trauung: Ein bisschen hallt das fest gesprochene „Ja“ noch durch die Kirche. Dieses Ja der Brautleute meint: Ich sage jetzt und heute Ja zu einem Leben mit dir. Ja, verlass dich drauf. Erinnere dich dran. Ich sage jetzt zu dir Ja, weil ich dich liebe. Weil du jung bist wie ich. Weil du schön bist. Verlass dich drauf, ich werde immer zu dir Ja sagen, auch wenn unsere Liebe sich verändern kann. Auch, wenn wir älter werden. Auch, wenn´s mal hart hergehen wird. Ich weiß nicht, ob die beiden Verliebten das alles in diesem Moment so genau bedenken. Im Gespräch vor der Trauung sind wir diesen Gedanken nachgegangen. Dass ihr Ja den beiden Ernst ist, habe ich gespürt.

„Ja,“ sagen auch die stolzen Eltern und Paten bei der Taufe: Ja, dass sie ihr Kind begleiten wollen, unterstützen. Dass sie für ihr Kind da sein werden und darauf vertrauen, dass Gott für das Kind da ist. Auch sie versprechen: Dieses Ja wird dich stark machen. Wir wollen dich das erfahren lassen. Wir gehen mit dir durch dick und dünn. Bei wichtigen Momenten wird in der Kirche „ja“ gesagt. Ein kleines Wort mit großer Wirkung. Ein guter sicherer Startpunkt. Menschen sagen zueinander und füreinander Ja. Auf dieses Wort kommt´s an.

Wenn ich in der Bibel nachschlage, dann gibt´s dort das Wort „ja“ 344 und das Wort „nein“ nur 59 Mal. Also wird öfter ja gesagt als nein. Jesus hat einmal gesagt: : „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ (Mt 5.37) Man kann eine Menge plaudern und labern, sich auch hinter vielen wuchtig scheinenden Worten verstecken. Man kann viel schwafeln, ohne irgendetwas wirklich auszusagen. Aber letztendlich kommt´s drauf an, ob jemand  wirklich „ja“ sagt oder eben „nein“. Wenn man was gefragt wird oder um Hilfe gebeten wird. Das „Vielleicht“ dazwischen finde ich fast noch schlimmer als ein Nein. Gravierender sind sicher noch andere Ja´s: „Ja, Sie sind geheilt!“ „Ja, der Tumor ist weg!“ „Ja, die Medikamente haben gewirkt!“ „Ja, Sie können morgen wieder nach Hause! “

Ich finde, wir leben von diesem kleinen unscheinbaren Wort. Fehlt uns ein erlösendes Ja, so werden wir auf die Folter gespannt. Traut sich niemand uns Ja zu sagen, verzagen wir. Ein Ja befreit. Trotzdem bleibt´s oft im Miteinander bei einem abwartenden, zögerlichen „vielleicht“, „mal gucken“, „schaun wir mal“.  Da werden Menschen in ihrem Miteinander auf Sparflamme gekocht. Schaun wir mal, ob sich was zwischen uns entwickelt, mal gucken, mal sehen. Vielleicht eben. Ich lebe von wichtigen Momenten, in denen mir ein „Ja“ zugesprochen wurde. Was und wer gibt mir Kraft auch mutig „Ja“ sagen zu können, wenn´s drauf ankommt?

Ich denke an die vielen Ja´s in meiner Kindheit, die ich zugesagt bekommen habe. Ja, wir lieben dich. Ja, du kannst das! Ja, du kannst was!  Ich glaube, meine Eltern haben das Ja-Sagen gekonnt, weil sie ihr Ja in einem ganz großen Ja eingebettet gespürt haben. Wir sagen Ja zu unserem Kind, weil Gott zu ihm schon Ja gesagt hat. Ich habe das als Kind früh mitgekriegt. Beim abendlichen Beten. Dass Gott zu mir ein großes „Ja“ ausgedrückt hat. Einfach, weil ich da bin. Nicht, weil ich etwas kann oder mache. Oder nicht, wenn ich besonders gut bin, sondern einfach so. Das war so ein wohliges Bauchgefühl als Kind. Ich konnte nicht alles gut. Ich war nicht nur eine Leuchte in der Schule. Brachte später auch mal schlechte Noten mit und irgendwann hatte ich auch keine Lust auf Schule. Das brachte meine Eltern fast zur Verzweiflung. Dass der Sohn lieber am Waldrand mit seinen Freunden sitzen wollte als Latein zu lernen.

Zu der Zeit flog ich sogar von einer Musikschule. Und trotzdem: in der Tiefe spürte ich immer das Ja der Eltern. Wir verstehen nicht alles, aber du bist geliebt, willkommen, angenommen. Dieses Ja bei den Eltern war unverrückbar und unaufhebbar – auch bei einer fünf in Mathe. Weil sie einem das sichere Lebensgefühl eingeschenkt hatten: Ja, wir lieben dich, manchmal trotzdem, aber wir sagen immer Ja zu dir. Weil Gott zu dir Ja gesagt hat. Im Nachhinein gipfelt das für mich in einem familiären Ritus zu den Zeugnissen: Wir waren vier Kinder. Gab´s Zeugnisse, waren gute und schlechte dabei. Manchmal gab´s hässliche Bemerkungen auf dem Zeugnis und Noten unterm Strich. Und trotzdem: Wir bekamen alle vier Kinder bei jedem Zeugnis ein tolles Geschenk. Was ganz Besonderes. Wie Weihnachten.

Von den Noten allein war es manchmal wahrscheinlich unverdient, aber dann sagte der Vater: „Ja, berauschend ist es dieses Mal nicht. Aber du bist für deine Freunde ein starker Freund!“ Oder die Mutter bemerkte:“ Ja, könnte besser sein. Aber du bist echt hilfsbereit. Du hast freiwillig die Stachelbeeren im Garten gepflückt und nicht gemeckert, Rasen gemäht ohne Heckmeck. Das ist gut, dass du so hilfsbereit bist!“  Und dann sagten sie auch: Nicht alles ist in der Schule messbar. Und dann gingen wir zu sechst essen, was selten war, weil teuer und es war ein richtiges kleines Fest. Ein Fest aus Freude am Ja-Sagen: Bestätigt werden, geliebt werden, angenommen werden. Dieses dicke fette Ja!

Weil dieses dicke fette Ja ein bodenständiges Grundgefühl ist, möchte ich es weiterschenken. Nicht zwangsläufig, nicht gedrängt. Sondern aus dem Gefühl, dass Gott zu mir schon lange „Ja“ gesagt hat. Manchmal kommt mir dieses Grundgefühl abhanden. Wenn Menschen mich kritisieren, ich dünnhäutig werde. Aber nur fast geht´s mir verloren. Dann atme ich bewusst lange aus und sage mir das Ja Gottes noch einmal ausdrücklich: Ja, du bist geliebt. Ja, bist ein Ebenbild Gottes. Schau dich nicht so grimmig im Spiegel an. Ja, ich habe dir Talente gegeben. Leb sie! Ich muss mich erst einmal selbst als geliebt und bejaht annehmen, bevor ich loslieben kann. Dann lächele ich selbst über meinen Ärger, sei er groß oder größer und spüre dem großen dicken fetten Ja Gottes über meinem Leben nach.

 So viele Spuren von Gottes Nähe in meinem Leben! So viel zu danken, was ich meistens in guten Zeiten fast vergessen hätte. Dann kullert Gottes Ja quasi einfach aus mir heraus. Auch zu anderen Menschen. Ich kann das gar nicht für mich behalten. Ich bin bejaht, angenommen, dieses Pluszeichen über meinem Leben. Das kann ich doch nicht behalten, einsacken, mich in diesem Ja einmauern. Dann lege ich los und sage Ja. Versuche es neu mit Vertrauen in andere Menschen. Traue ihnen auch zu, dass sie Gottes Ja im Miteinander ausprobieren und leben können. Dass wir zueinander und füreinander Ja sagen können. Ehrlich, weil geliebt. Fröhlich, weil bejaht. Ja. So ist es. Ja!