
Gott bezieht Position
„In den Kriegen und Katastrophen, wo ist da Gott?“ Das fragte mich vor kurzem ein Mann. Wir haben uns verabredet. Er möchte wieder in die Kirche eintreten, das Formular liegt schon vor ihm. Doch vorher will er diese Frage klären: Wo ist Gott in Krisen und Krieg?
Ein große Frage: Wo ist Gott in den Kriesen und Katastrophen?
Die Frage ist groß, sehr grundsätzlich. Eine Antwort fällt auch mir schwer. Ich stochere in meinen Gedanken und suche nach Worten. Etwas stockend sage ich: „Eine absolut richtige Antwort kann ich darauf auch nicht geben. Ich stehe ja nicht außerhalb der Welt, über Gott, Welt, Kriegen und Menschen – sodass ich alles weiß und verstehe.“
Er fordert: „Trotzdem: Ich will wissen, was Sie denken. Ihr Glaube muss doch auch Katastrophen mit Gott in Verbindung bringen! Kann auch stockend sein.“
Gott ist bei den Menschen, denen es schlecht geht
Ich atme tief durch: „Also, ich fange mal bei dem an, womit ich mir sicher bin. Ich glaube: Gott ist bei denen, die im Elend sind. Die ängstlich in den Himmel schauen, wann der nächste Angriff kommt. Die in den U-Bahnhöfen Schutz suchen. In den Cafés, wo Menschen bei einem Espresso den Krieg kurz vergessen. Und bei denen, die skypen mit ihren Angehörigen. Ja, da ist Gott sicherlich.“
Der Mann wiegt den Kopf, zieht die Brauen zusammen. Ich denke kurz nach, spreche weiter: „Ich glaube alles das, wegen Jesus. Der saß nicht in Palästen oder Machtzentralen. Jesus hing am Kreuz. Mitten im Elend. Hat voll Angst in den Himmel geschaut. Und unter dem Kreuz stehen die, die ihn geliebt haben. Die zurückgeblieben sind, tief traurig, machtlos ausgeliefert, wütend.“
Ist Gott nur Zuschauer?
Er schaut fragend: „Und was heiß das für heute?“ Ich antworte: „Gott ist auch bei denen, die heute unterm Kreuz stehen: Am Grab, zwischen Trümmern, in Angriffen. Auch wenn es sich anders anfühlt: Gottverlassen. Elend. Allein. Trotzdem bin sich: Wo Menschen leiden – Gott ist da. Auf welche Weise auch immer.“
Der Mann nickt, schweigt, wartet, sagt. „Ja… schon… aber mehr nicht? Mischt Gott sich nicht ein in Kriege und Katastrophen? Gott ist doch nicht nur Zuschauer und auf der Seite der Opfer? Das wäre doch irgendwie zu wenig?“
Manchmal stelle ich mir vor, Gott schreit Putin ins Ohr: So nicht!
Ich denke nach. Zögernd ergänze ich: „Manchmal stelle ich mir vor, Gott schreit Putin ins Ohr. Oder schaut Trump an und sagt: ‚So nicht!‘ Ich hoffe, Gott legt ihnen einen Funken Solidarität ins Herz mit den Schwachen. Flüstert ihnen Sehnsucht ein nach Frieden. Ja, das wünsche ich mir. Aber das weiß ich nicht. Wie gesagt: Ich stehe ja nicht oben drüber.
Aber was ich weiß: Gott hat Position bezogen in der Welt. Am Kreuz. Und bei allen, die leiden.“ Der Mann nickt bedächtig. Atmet aus. Er zieht das Wiedereintrittsformular zu sich. Unterschreibt. Ich frage ihn: „Und wie sehen Sie das?“