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Die therapeutische Wirkung des Adventskalenders
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Die therapeutische Wirkung des Adventskalenders

Dr. Matthias Viertel
Ein Beitrag von Dr. Matthias Viertel, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Nun ist endlich Advent. In diesen Tagen werden auch Erwachsene ein bisschen wie Kinder mit Ritualen, die viele schon lange üben: Plätzchen backen, Lieder singen, Kerzen am Adventskranz anzünden.

Mit dem Adventskalender das Warten zelebrieren

Dazu gehört auch der Adventskalender. Den gibt es inzwischen für alle Altersgruppen und mit allen möglichen Inhalten. Bunte Bildchen reichen häufig nicht mehr. Es muss schon eine Süßigkeit sein oder eine andere Überraschung, um die Wartezeit bis Weihnachten zu verkürzen. Aber das Entscheidende ist trotzdem nicht der Inhalt, sondern das Öffnen der Türchen. Jeden Tag eine kleine Überraschung, die mich froh stimmt und sich über den ganzen Monat hinzieht. Ich zelebriere das Warten, und das wird dadurch zur spannenden Vorfreude.

Sich beim Öffnen der Türchen in duldender Gelassenheit üben

Der Adventskalender ist also eine Eingewöhnung in Geduld, eine Schule des Wartens. So ein Training für die Geduld brauchen Erwachsene wahrscheinlich genauso dringend wie Kinder. Das Leben ist so schnell geworden, da bleibt die Geduld oft auf der Strecke. Vor diesem Hintergrund hat der Adventskalender tatsächlich eine therapeutische Wirkung. Ich nehme ihn und reiße nicht gleich alle Türen auf, um die Schokolade mit einem Mal zu essen. Die Türchen im Kalender haben diese wichtige Aufgabe: durch sie übe ich mich in duldender Gelassenheit.

Geduld üben auch im Umgang mit anderen Menschen

Geduld aber brauchen wir nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern erst recht im Umgang miteinander. Wir Menschen sind nun mal nicht gerade einfach. Wir sind so verschieden, haben unterschiedliche Ziele und Meinungen. Häufig fällt es schwer, die Vielfalt auch als Bereicherung zu erkennen. Das führt zu Konflikten, auf persönlicher Ebene und auch zwischen Völkern und Staaten. Wenn ich Duldsamkeit stärke, hilft mir das. Ich komme besser klar mit der Vielfalt und kann besser damit umgehen, dass Menschen anders sind und anders denken.

Alles das und noch vielmehr verbirgt sich hinter den kleinen Türchen, die Tag für Tag geöffnet werden. Ich stelle mir vor, für diesen Advent einen eigenen Kalender zu basteln. Einen, bei dem ich hinter jedem Türchen auf das Bild eines besonderen Menschen sehe. Irgendjemand, der oder die zu meinem Leben gehört. Jemand, für den ich zu wenig Zeit hatte, für den ich zu wenig Verständnis aufgebracht habe.

Eine Art Grundnahrungsmittel des Glaubens

So ein Adventskalender wäre dann eine wirkliche Schule der Geduld, ja der Duldsamkeit, eine Art Grundnahrungsmittel für den Glauben. Wer sich darauf einlässt, erntet eine ganze Menge: nämlich Trost, Hoffnung und Güte. Alles das wartet hinter dem letzten Türchen des Adventskalenders.

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