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„Halleluja, Walpurgisnacht!“
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„Halleluja, Walpurgisnacht!“

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Guten Morgen und einen schönen Sonntag!

Die Feiertage und ihr Brauchtum

Das war ja vielleicht ein kalter Frühling! Mich fröstelt noch immer, obwohl wir inzwischen ja auch ein bisschen Sonne hatten. Mit dem letzten Tag des Monats heute hoffe ich auf ein Ende des sprichwörtlich verrückten AprilWetters, und mein Herz, es tanzt ab jetzt fröhlich in den Mai. Noch in meiner Jugend war das eine feste Tradition für den heutigen Abend: Tanz in den Mai! Denn heute ist „Walpurgisnacht!“ Und morgen ist zur Ehren der Arbeit arbeitsfrei! Der Feiertag heißt 1. Mai! 

Ich weiß ja nicht, wie sehr Sie, die sie mir gerade freundlicherweise zuhören, noch mit den Feiertagen und ihrem Brauchtum verbunden sind? Klar ist es schön, einfach so ein verlängertes Wochenende zu genießen, mehr interessiert viele ja vielleicht auch gar nicht. Mir persönlich vertieft es aber meistens die Freude und den Genuss freier Tage, wenn ich den Anlass dafür kenne. Und wenn ich für mich selbst bewerten kann, ob die dahinterstehenden Traditionen etwas für mein Leben und die heutigen Zeiten bedeuten oder eher nicht…

HexenTanz, GewerkschaftsFest und heilige Walburga 

Denn egal ob HexenTanz, GewerkschaftsFest oder heilige Walburga, da kommt ganz hübsch was zusammen in diesen Tagen. Das möchte ich gerne in Erinnerung rufen. Fangen wir mal mit der Walpurgisnacht an, denn da liegt das christlichste Moment dieser bunt-gesampelten Feiertagsmischung. 

Und lassen wir uns nicht davon ablenken, dass der fröhliche Ruf „Heia Walpurgisnacht“ bereits durch die nämliche Szene in Goethes „Faust“, spätestens aber seit Ottfried Preußlers „kleiner Hexe“ mehr mit den auf ihren Besen um den BlocksBerg fliegenden Hexen in Verbindung gebracht wird als mit der Heiligen…

Walburga, die angelsächsische Nonne 

Walburga war eine angelsächsische Nonne Sie lebte im achten Jahrhundert und wurde von ihren beiden älteren Brüdern, besonders aber von ihrem weltberühmten Onkel, dem heiligen Bonifatius, als Missionarin für die damals noch weitgehend heidnischen deutschen Lande angeworben. Die Überfahrt von England nach Holland soll so stürmisch gewesen sein, dass Walburga der Legende nach die gesamte Zeit auf Knien an Deck betend verbracht habe und damit den Sturm gebannt hätte. Seither gilt sie als Schutzpatronin der Seefahrer. Wie auch immer wir Vernunftmenschen des 21. Jahrhunderts zu „Wundern“ stehen mögen, ziemlich sicher hatte Walburga eine geistliche Kraft und ein Charisma, mit denen sie Außergewöhnliches bewirkte. Sie hat Menschen vor dem Verhungern bewahrt, konnte tollwütige Hunde beruhigen und hat zumindest eine Wöchnerin vom Kindbettfieber befreit. Das alles wird ihr nach ihrem Tod immense Verehrung als vielfach angerufene Schutzheilige einbringen. 

Frauenpower in der Kirche 

Im Jahr 761 übernimmt sie als Äbtissin die Leitung eines von ihrem Bruder gegründeten Männerklosters im mittelfränkischen Heidenheim. Kurze Zeit später gründet sie dort auch ein Frauenkloster. Damit ist sie, kirchliche und weltliche Macht sind aufs Engste verwoben, für Jahre eine der mächtigsten und einflussreichsten Frauen in Mitteleuropa. Das sogenannte „finstere Mittelalter“ zeigt sich in Sachen „Frauenpower in der Kirche“ als durchaus helle Epoche, hinter die meine katholische Kirche bis heute wieder weit zurückfallen sollte. Darum erinnere ich heute besonders gerne an Walburga und ermuntere meine Kirche, an diese eigene Tradition starker Frauen in Leitungsrollen wieder anzuknüpfen. 

Walpurgisnacht…

Am 1. Mai wahrscheinlich im Jahr 870 wurde Walburga heiliggesprochen. Das war dann lange ihr Festtag. Ihre große Bedeutung kann man daran ablesen, dass schon am Vorabend (den sogenannten Vigilien) mit dem Feiern begonnen wurde; so wie wir es heute - mit Christmette und Osternacht - nur noch für Weihnachten und Ostern kennen. Das war dann, vom Namen Walburga inspiriert, die sogenannte Walpurgisnacht! Und die hatte zunächst überhaupt nichts mit HexenTanz und HexenBrauchtum zu tun. Das kam erst sechs-, siebenhundert Jahre später…

Hexen als Sündenböcke 

In der frühen Neuzeit ab etwa dem Jahr 1500 müssen die Menschen besonders viele Herausforderungen bestehen: Die sogenannte „Kleine Eiszeit“ verändert das Klima, bewirkt Hungersnöte und bringt zusammen mit der Pest und großen Kriegen das Leben der Menschen in größte Gefahr. „Heilige Ordnungen“ und ihre Autoritäts- und Lebensdeutungs-Systeme sind erschüttert, seit es durch die Reformation zwei konkurrierende Kirchen gibt. Naturwissenschaftliches Denken und Verstandesorientierung sind noch lange nicht ausgeprägt. Da müssen zur mentalen Bewältigung von Existenzkrisen und Lebensgefahr wilde Feindbilder und Sündenböcke herhalten. So entwickelt sich im Volksglauben der Hexenwahn, dass hauptsächlich Frauen (die schon biblisch für’s Böse haftbar gemachte Eva…), aber zuweilen auch Männer angeblich mit dem Teufel im Pakt sind und so alles Unglück bewirken. Der aufkommende Buchdruck verbreitet und vervielfältigt z.B. durch Flugblätter diesen Hexenwahn so ähnlich wie heute das Internet die Hassrede. Die katholische Kirche bremst diesen Wahn zunächst und versucht Hexenverfolgung und –prozesse zu verbieten. Als sie aber ohne wirklich schlüssige Antwort auf all die Katastrophen selbst immer mehr Macht und Einfluss zu verlieren beginnt, steigt sie - quasi aus Ohnmacht und in tragischer Verirrung – selbst in die Hexenjagd ein. 

Das Jahrhundert entscheidet, ob Hexe oder Heilige 

Die Ausübung geheimnisvoller Kräfte, wie sie begabten Menschen zwischen Himmel und Erde schon immer zur Verfügung stehen, sie führt bei Walburga oder Hildegard von Bingen zu Heiligsprechung und Verehrung. Wenige Jahrhunderte später und bis ca. 1780 werden Frauen für ganz ähnliche Fähigkeiten als Hexen verfolgt und auf Scheiterhaufen verbrannt. 

Auch an diesen Aspekt erinnere ich meine Kirche heute: Es ist nie gut, mit Macht und Gewalt auf eigene Ohnmachtserfahrungen zu reagieren. Und ich finde, Gesellschaft und Kirche täte es gut, sich neu zu öffnen für weisheitliche und oft weibliche Kräfte der Naturverbundenheit, Lebensförderung, Krisenbewältigung und Schöpfungsbewahrung. 

Das Christentum nimmt heidnische Motive auf…

Natürlich spielen in die Walpurgisnachtsgeschichten und Maibräuche auch alte heidnische Fruchtbarkeitsriten hinein, wie z.B. aus dem keltischen BeltraneFest: Der Tanz, die Maibäume, die Frühjahrsfeuer, die Waldmeisterbowle… Sie alle sind, so wie die Hasen und die Eier beim Osterfest, vom Christentum adaptierte heidnische Symbole und Riten zur Stärkung und Sicherung der Fruchtbarkeit.

Und auch in Bezug auf den 1. Mai hat sich meine katholische Kirche Traditionen von außerhalb anverwandelt…

…und Traditionen der sozialistischen Arbeiterbewegung 

Den MaiFeiertag als arbeitsfreien „Tag der Arbeit“ morgen verdanken wir ursprünglich Arbeitern, die 1886 in mehreren Städten in den USA für den 8-Stunden-Tag, für mehr Lohn und weitere Sozialverbesserungen gestreikt haben. Nachdem es bei der Niederschlagung dieses Streiks in Chicago zu Toten kam, wurde der 1. Mai ab 1890 im Gedenken an die Opfer zum „Internationalen Tag der Arbeit“ erklärt, durch die Sozialdemokratie auch in Deutschland und seit 1919 als staatlicher Feiertag. Als Reaktion auf diese weitgehend sozialistische Arbeiterbewegung legte Papst Pius XII. 1955 den katholischen Festtag „Heiliger Josef, der Arbeiter“ ebenfalls auf den 1. Mai. Die Gottesdienste zum „christlichen Wert der Arbeit“ und spätere Aktionen zur sogenannten „Katholischen Soziallehre“ hatten lange Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung keine Chance gegen die gewerkschaftlichen PolitKulturEvents. Heute aber fallen alle beide, die Gewerkschaftsaktionen wie die Gottesdienste zum 1. Mai, immer mehr der gesellschaftlichen Gleichgültigkeit und der puren Freizeitlust anheim. 

Was den freien Tag zum Feiertag macht

Auch darum möchte ich hier an beides erinnern und den Mitmenschen freundlich vermehrte Aufmerksamkeit und geschärftes Bewusstsein empfehlen für die Inhalte und Traditionen, die die freien Tage erst wirklich zu Feiertagen machen würden.

Ich habe da heute für mich ganz besonders die heilige Walburga als weise und wirkmächtige Frau neu entdeckt und ich feiere sie mit dem fröhlich-kirchlichen Ruf:

Halleluja, Walpurgisnacht!

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