Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Heinrich Böll: Mensch im Advent
Foto: Martin Vorländer

Heinrich Böll: Mensch im Advent

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Theologischer Referent der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin der EKHN
Beitrag anhören:

Hier war ursprünglich ein Foto von Heinrich Böll (1917-1985), der 1972 den Literaturnobelpreis gewann. Aus Rechte-Gründen können wir ein solches Foto nur sechs Wochen zeigen, deshalb sehen Sie inzwischen ein "neutrales" Bild.

Am 10. Dezember 1972, vor 50 Jahren, erhielt Heinrich Böll den Nobelpreis für Literatur. Ich habe einige seiner Bücher in der Schule kennengelernt und gerne gelesen. Böll war ein unbequemer Zeitgenosse. Er demonstrierte für Frieden und gegen Atomwaffen. Er setzte sich für die Schwachen in der Gesellschaft ein. Sein Fundament war sein christlicher Glaube. 

Böll gibt einfachen Leuten Stimme

Immer wieder hat Böll die Sicht der einfachen Leute geschildert und ihnen eine Stimme gegeben. Ich finde: Das Werk von Heinrich Böll passt gut in die Adventszeit. Denn in der Bibel wird erzählt: Gott will eine andere Welt als die, in der nur die Starken regieren und andere beherrschen. 

Ein Esel, kein edles Pferd

Das sehe ich etwa bei Maria, der Mutter von Jesus. In der Bibel wird erzählt: Sie ist eine einfache junge Frau und soll ein besonderes Kind zur Welt bringen. In einem Stall, nicht in einem Palast. So kommt Gott auf die Welt herunter. Einen heruntergekommenen Gott nennen ihn manche. Zur Adventszeit gehört auch die Szene, in der Jesus auf einem Esel in Jerusalem einreitet. Die Menschen am Straßenrand jubeln ihm zu. Auf ihn setzen sie ihre Hoffnung auf Frieden. 

In der Imbiss-Stube im Nachkriegsdeutschland

Davon hat sich Böll inspirieren lassen. Menschen am Rand und ihre Sehnsüchte sind seine wichtigsten Themen. Mich berührt besonders eine Szene aus seiner Erzählung "Und sagte kein einziges Wort". Da geht es um ein fast entzweites Ehepaar. Im Schatten einer Kathedrale treffen sie sich mit Gestalten vom Rand der Gesellschaft in einer Imbissstube. Hier essen Menschen miteinander. Trinken und reden. Manchmal dummes Zeug. Manchmal schütten sie einander ihr Herz aus. Eine Mahlgemeinschaft, inmitten der Trümmer im Nachkriegsdeutschland. 

Kein Oben und Unten

Was mir gefällt: Hier sind alle gleich. Da gibt es kein Oben und kein Unten. Da scheint das Bild einer anderen Welt auf, in der alle ihren Platz finden. Auch die Schwachen und Gebrochenen haben ihren Raum.

Kaffeetafel für bedürftige Gäste in Frankfurt-Bockenheim

Das entdecke ich auch jetzt, wenn ich mich in meinem Stadtteil umschaue. Menschen aus den christlichen Gemeinden organisieren wieder die Kaffeetafel. An vier Samstagen im Winter. Sie holen gespendeten Kuchen, Brötchen und Drogerieartikel von Geschäften ab und packen sie in Tüten. Für sie sind die Bedürftigen "Gäste". Sie freuen sich darauf, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. 

Adventslektüre Heinrich Böll

Ich werde in der Zeit vor Weihnachten mal wieder etwas von Heinrich Böll lesen. Er ist noch immer aktuell. Weil er von der Hoffnung auf eine menschliche Welt erzählt. Mitten in einer zerrissenen Welt. Ich will mich vorbereiten auf Gott, der herunterkommt, den heruntergekommenen Gott feiern. Und eine Welt mitgestalten, in der Menschen menschlich sind. 
 

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren