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Jesus zeigt und schenkt sich im verwandelten Brot
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Jesus zeigt und schenkt sich im verwandelten Brot

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Guten Morgen und einen schönen Feiertag!

Fronleichnam. Das Wort ist wenig verständlich. Mit „Leichen“ hat es nichts zu tun. Das würde ich Ihnen am frühen FeiertagsMorgen auch nicht zumuten. Fronleichnam heißt übersetzt: der „Leib des Herrn“. Damit ist Jesus gemeint. Und um den „Leib Christi“ dreht sich das heutige Fest, von dem ich Ihnen hier erzählen möchte.

Das beeindruckte mich schon als Kind

Als Kind in gut katholischer Familie und kirchlichem Milieu mitten im sonst sehr evangelischen Wiesbaden aufgewachsen, verbinde ich mit dem FronleichnamsTag vor allem eine große Prozession durch unseren Stadtteil. An mehreren Straßenecken waren feierliche Altäre aufgebaut. Dort machte der Prozessionszug Station. Davor hatten fromme Leute, auch wir Kinder und Jugendlichen, bunte Teppiche aus Blütenblättern oder gefärbtem Sägemehl gelegt, natürlich mit frommen Bildmotiven. Viele Häuser am Prozessionsweg waren feierlich geschmückt: gelb-weiße Fähnchen, ein Meer von Blumen, Heiligenfiguren von beträchtlicher Größe und fromme Gemälde, die sonst überm Ehebett der Großeltern hingen. Der Pfarrer trug ein goldenes Gefäß durch die Straßen, das aussah wie ein Kölner Dom im Handformat. Darin ausgestellt: Eine BrotHostie, die alle „Leib Christi“ nannten. Das beeindruckte mich, auch wenn ich als Kind damals nicht verstand, was es bedeutet.

Dramatisch und voller Emotionen

Das Ereignis, auf das sich das Fest bezieht, steht im Zusammenhang mit der Leidensgeschichte Jesu. Er hatte die letzten Tage seines Lebens in Jerusalem verbracht. Es war die Woche vor dem jüdischen PaschaFest. Damit erinnert sich das Volk Israel an seinen Auszug aus der Gefangenschaft in Ägypten. Jesus hatte mit seinen Freunden nach altem jüdischem Brauch die ErinnerungsRituale gefeiert. Am Donnerstag der PaschaWoche hält man das Mahl des Aufbruchs. In der darauffolgenden Nacht wird Jesus von römischen Soldaten verhaftet. Diese waren allerdings vom jüdischen ReligionsEstablishment gegen ihn aufgewiegelt worden. Seine neue und bei den einfachen Leuten ausgesprochen erfolgreiche Auslegung der alten jüdischen Religionslehren, die provozierte den Widerstand der traditionellen ReligionsVertreter. Und die, die wollen Jesus loswerden. Er gefährdet ihre Macht. Die römische StaatsMaschinerie mag auch keine Aufrührer. Sie machen „kurzen Prozess“ mit ihm. Am Karfreitag ermorden sie ihn als Aufständler durch den Tod am Kreuz. Drei Tage später wird Jesus von den Toten auferstehen. So jedenfalls schildern seine Jünger ihre wundersame Erfahrung. Und so überliefert es die christliche ZentralErzählung bis heute. Passion und Ostern - eine Geschichte voller Emotionen. Für die Kirche und den christlichen Glauben wird diese Woche mit ihrer von Tag zu Tag wachsenden Dramatik fortan die dichteste Zeit im Kirchenjahr sein…

Das letzte Abendmahl prägt ganz wesentlich den christlichen Glauben

Die besonderen Umstände jenes „DonnerstagsMahls“, die geraten angesichts der hohen Dramatik der folgenden Tage in der sich entwickelnden kirchlichen Tradition ziemlich in den Hintergrund. Das ist sehr bedauerlich, weil Jesus diesem Mahl eine ganz besondere und neue Bedeutung gibt. Es wird als sogenanntes „Letztes Abendmahl“ in die Geschichte eingehen. Es prägt bis heute ganz wesentlich das kirchliche Leben und den christlichen Glauben. Und um diese Bedeutung besser sichtbar zu machen, darum ist aus diesem „letzten Abendmahl“ seit dem Mittelalter ein ganz eigenes Fest geworden. Gefeiert zu einer Zeit, in der kein Karfreitag und kein Osterfest die Aufmerksamkeit überlagert. Eben heute an Fronleichnam.

Dieses Mahl wird das zentrale Zeichen kirchlichen Lebens

Welche neue Bedeutung gibt nun Jesus beim „Letzten Abendmahl“ dem jüdischen PaschaAbschiedsessen? Er macht es für seine Freunde zu seinem ganz persönlichen Erinnerungsmahl. Er nimmt Brot und Wein, spricht ein DankGebet, segnet die Gaben und teilt sie unter seine Jünger aus. Begleitet von dem schlichten Auftrag: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ So wird dieses FreundschaftsEssen zum zentralen Zeichen kirchlichen Lebens und christlichen Glaubens. So wichtig, dass es seitdem Sonntag für Sonntag gefeiert wird. Protestantisch wird es einfach „Abendmahl“ genannt. Katholisch sagen wir „Eucharistie“. Das Wort ist griechisch und greift das Dankgebet auf, mit dem Jesus dieses FreundschaftsEssen auch mit seinem Vater im Himmel verbindet.

Es gibt noch eine nächste Stufe, eine weitere Dimension

Aber sich beim Teilen von Brot und Wein an Jesus zurückzuerinnern wie an eine längst verstorbene Person, das ist nur eine erste Stufe, mit der Jesus das alte, jüdische PaschaMahl mit neuer Bedeutung versieht. Es gibt noch eine nächste Stufe, geradezu eine weitere Dimension von „erinnernder Vergegenwärtigung“, die Jesus mit der GedächtnisMahlFeier verbindet…

Jeder, der dieses Brot isst, empfängt Jesus

„Erinnernde Vergegenwärtigung“. Achtung, liebe Zuhörende, jetzt kommt ein Stück „höhere“ Theologie… Aber ich finde diesen christlichen GlaubensAspekt so schön und so wichtig, dass ich versuchen möchte, etwas davon rüberzubringen. Als Jesus das gesegnete Brot und den gesegneten Wein an seine Freunde austeilt, sagt er ihnen zu: Alle, die Brot und Wein empfangen, empfangen darin ihn, Jesus selbst! Wer dieses Brot isst und diesen Wein trinkt, dem wird der Geist Gottes zuteil, die Kraft und der Segen vom Himmel. Er empfängt Jesus. Allerdings mehr in seinem Herzen als in seinem Magen! Auf den langen theologischen Streit um die Worte und die Vorstellung, dass sich Brot und Wein in Leib und Blut Jesu Christi verwandeln (Fronleichnam = der „Leib des Herrn“), kann ich im Rahmen dieser RadioZeit leider nicht näher eingehen.

Es gibt Zeichen, die nur eine Information geben…

Aber ich möchte Ihnen bildhaft erläutern, wie ich persönlich mir die Gegenwart Jesu in Brot und Wein vorstelle. Das hat mit der Art von Zeichen zu tun, die hier im Spiel sind:

Wenn ich mit dem Auto von irgendwo nach Wiesbaden zurückfahre, dann begegnet mir ein Straßenschild: Wiesbaden 10 km. Dieses VerkehrsZeichen ist ein Hinweisschild. Es steht zwar „Wiesbaden“ drauf, aber dieses Zeichen enthält nicht wirklich etwas von Wiesbaden. Es teilt mir nichts Wesentliches von Wiesbaden mit. Es trägt nur eine Information (noch 10 km), ist ansonsten aber „leer“, „wiesbaden-leer“.

…und Zeichen, die so viel mehr enthalten

Ganz anders ist es, wenn zwei Liebende Küsse oder Ringe tauschen. Kuss und Ring werden dann durchaus auch zu „VerkehrsZeichen“, zu „Hinweisschildern“ ihrer Liebe. Aber wo ist die Liebe in diesen Momenten? Natürlich in den Herzen der Liebenden. Aber Kuss und Ring sind nicht nur „leere Hinweiszeichen“ auf die Liebe, die „10 km weit weg“ in den Herzen wohnt. Nein, Kuss und Ring tragen selbst die Liebe in sich. Sie sind selbst „ganz voll von dieser Liebe“ und teilen Wesentliches über die Liebe mit. Ohne Kuss und Ring würde die Liebe weniger und nicht so schön sichtbar werden! Anders als das Straßenschild enthalten Kuss und Ring also das, wofür sie Zeichen sind!

„Küsse vom Himmel“ mit der Liebe Gottes

Und genauso ist es für mich mit dem verwandelten JesusBrot. Es ist nicht nur ein „leeres Erinnerungszeichen“ mit dem Hinweis: Jesus, gelebt und gestorben vor 2000 Jahren. Nein, das JesusBrot schenkt meinem Herzen ganz konkret und gegenwärtig Jesus als echte SeelenNahrung. Das Brot und der Wein in der Eucharistie sind für mich ganz reale „Küsse vom Himmel“. Und das ist wunderbar! Sie schenken mir die Liebe Gottes, die sonst kaum so schön spürbar würde. Und wie jedes normale Brot den Körper nährt, so stärkt dieses „verwandelte JesusBrot“ meine Seele. Und wie jeder normale Wein meine Sinne erfreut, so erheitert dieser „verwandelte JesusWein“ meine Seele.

Das himmlische, nahrhafte Brot Jesu freudig durch die Straßen tragen

FronleichnamsProzessionen sind heute nicht mehr so selbstverständlich wie in meiner Kindheit. Aber das „himmlische JesusBrot“ freudig durch die Straßen zu tragen und dem „himmlischen JesusWein“ auf öffentlichen Plätzen ein Fest zu feiern, bevor man beides als „Kraftnahrung für die Seele“ zu sich nimmt, das finde ich so originell wie schön.

Vielleicht zieht eine solche „Jesus-Demo“ ja heute auch durch Ihre Nachbarschaft!

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