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Dem "Tag der Arbeit" neuen Sinn geben
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Dem "Tag der Arbeit" neuen Sinn geben

Stefan Herok
Ein Beitrag von Stefan Herok, katholischer Pastoralreferent i.R. in der Pfarrei St. Bonifatius, Wiesbaden
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Guten Morgen!

Mit dem Herzen bin ich nach wie vor bei unseren weltbewegenden Sorgen. Mit den Gedanken bleibe ich heute im Lande und bei einem vergleichsweise weniger existentiellen Thema. Mir trotzdem wichtig...

Sonntag, der 1. Mai. Im ersten Moment ist meine „ArbeitnehmerSeele“ immer ein bisschen traurig, wenn uns ein Sonntag – so wie heute - einen gesetzlichen Feiertag „klaut“ – Sie hören die Anführungsstriche! „Arbeitgeberfreundlich“ sagt man so dahin, weil damit halt für viele ein bezahlter, arbeitsfreier Werktag aus dem Jahreskalender herausfällt. Im zweiten Moment denke ich dann oft: Wie schön, dass es überhaupt Feiertage gibt! Und so beschäftigt mich heute Morgen die Frage: Was ist das überhaupt – ein FeierTag? Nur ein freier Tag? Wie können Feiertage heute noch gesellschaftlich Bedeutung bekommen? Mal sehen, ob sich am Beispiel des heutigen 1. Mai auf diese Frage irgendwie Antwort finden lässt…

Feiertage in Deutschland

Die meisten der neun bundesweit arbeitsfreien Feiertage haben kirchlich-religiösen Charakter: Ostern, Pfingsten, Himmelfahrt, Weihnachten. Der 3. Oktober, der Neujahrstag und der heutige 1. Mai sind die drei weltlichen. Dann gibt es noch ein paar Besonderheiten von Bundesland zu Bundesland. Wir in Hessen haben noch an Fronleichnam frei und damit zehn Feiertage. In Rheinland-Pfalz gibt es elf durch zusätzliche Arbeitsruhe an Allerheiligen. Je nach Konfessionsmehrheit in den Ländern ist das katholische Fronleichnamsfest arbeitsfrei oder der evangelische Reformationstag. Absoluter „Spitzenreiter“ ist die Stadt Augsburg, die über die 13 bayrischen Feiertage hinaus noch ein besonderes Friedensfest feiert. Zu einem vollständigen Bild der Feiertage in unserem Land müsste man eigentlich auch die Sonntage hinzuzählen. Ein ursprünglich religiös begründet, gesetzlich arbeitsfreier Tag, 52 Mal im Jahr.

Tag der Arbeit

Der heutige 1. Mai gilt als „Tag der Arbeit“. Ich wusste über ihn bisher - grob gesagt - nur, dass die Gewerkschaften Kundgebungen veranstalten, und – dass keiner mehr hingeht. Jetzt habe ich nachgelesen: An diesem Tag ruht die Arbeit, damit sich unsere Gesellschaft die Frage stellt, ob unsere Arbeitsbedingungen vor allem in sozialer Hinsicht wirklich in Ordnung sind. Gut, dass sich Gewerkschaften um dieses Thema kümmern. Schade, wenn keiner hingeht und zuhört. Noch bedauerlicher, wenn sich im Blick auf die gesamte Gesellschaft sonst niemand dafür interessiert. Es ginge doch eigentlich uns alle an. Beim Blick auf ein paar konkrete Stichworte merkt man das sofort: Schlechte Bezahlung in den SozialBerufen. Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. GeschlechterUngerechtigkeit in Lohn- und KarriereFragen. ArbeitsmarktGefälle west-ost und jung-alt. Zeitarbeit und Projektverträge statt Festanstellung. Zu wenig Digitalisierung, zu viel Automatisierung der Arbeit. Prekäre Gegenwart und Altersarmut trotz lebenslanger VollzeitArbeit. Das sollte-könnte-müsste uns am heutigen MaiFeiertag eigentlich beschäftigen. Sage mir niemand, in seinem Lebensumfeld wäre keines dieser Probleme relevant!

Vom KampfTag über den FeierTag zum FreizeitTag

An der Entwicklung des 1. Mai über die Jahre kann man – so meine Wahrnehmung - recht gut ablesen, wie unsere Gesellschaft heute generell mit Feiertagen umzugehen geneigt ist. Entstanden ist er als „KampfTag“ für sozialere Arbeitsbedingungen. Das war 1856, und es ging damals um den AchtStundenTag. Die MaiKundgebungen der Gewerkschaften haben mit ihren sozialen Themen lange versucht, diesen Kampfcharakter aufrecht zu halten. Dann wurde er mehr zum „FeierTag“, mit viel Gesang und Kultur auf den Kundgebungen. Der Tag wurde mit weiteren politischen Inhalten aufgeladen, die aber mehr auf der allgemeinen Bewusstseinsebene liegen als beim konkreten Arbeitskampf. So sagt z.B. die Hessische Staatsverfassung (Art. 32): „Der 1. Mai … versinnbildlicht das Bekenntnis zur sozialen Gerechtigkeit, zu Fortschritt, Frieden, Freiheit und Völkerverständigung.“ Das trägt man bestenfalls im Herzen, wenig auf die Straße. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält den Tag hoch. Der allgemeine Mobilisierungsgrad ist niedrig, selbst bei Gewerkschaftsmitgliedern. Es gab Jahre, in denen sogar oberste Gewerkschafterinnen die Überlebenschance des 1. Mai nur noch in seiner Umwidmung in eine Art „Volksfest für die ganze Familie“ sahen. Vom „FeierTag“ zum „FreizeitTag“, der Trend scheint ziemlich eindeutig.

Feiertage wegen Etikettenschwindels abschaffen?

Ist das nun aber das Schicksal unserer Feiertage ganz generell: vom FeierTag zum FreizeitTag? Haben sie also in ihren ursprünglichen Inhalten kaum Bedeutung für unsere Gesellschaft und wären demnach eine Art Etikettenschwindel als politisch-religiös verbrämte Urlaubstage? Für Neujahr gilt das, glaube ich. Da gibt es ja auch keine FeiertagsInhalte, kaum Rituale. Es ist mehr der Tag des SilversterKaters. Und für den 3. Oktober? Na gut, da gibt es immer einen Staatsakt. Aber im Bewusstsein der gesamten Gesellschaft – ein Feiertag? Ich bin da eher skeptisch. Und dann die 7-10 religiösen Feiertage, je nach Bundesland. Karfreitag und Ostern sind gerade erst zwei Wochen her. Und die 52 Sonntage im Jahr. Da kann jede und jeder von uns selbst beurteilen, mit welchem Bewusstsein und mit welcher Praxis unsere „Feste“ gefeiert werden: FeierTag oder freier Tag?

Wenn es sich bei den FeierTagen im Lande tatsächlich weitgehend praktisch um FreizeitTage handelt, sollte man sie dann nicht eher weitgehend abschaffen? Oder ganz ehrlich in reguläre Urlaubstage umwandeln?

Die FeierTage anders feiern

Nein, ich bin nicht für die Abschaffung der FeierTage, auch wenn ihre öffentliche Ausübung nachlässt.Ich selbst war auch noch nie auf einer MaiKundgebung. Und obwohl ich – meistens - gerne katholisch bin, muss ich meinen Glauben nicht unbedingt auf einer Fronleichnamsprozession durch die Straßen tragen. Ich gehe nicht ungern in Gottesdienste, aber seit Pandemiezeiten auch nicht mehr sehr oft. Für unsere FeierTage, die religiösen wie die weltlichen, da plädiere ich für einen veränderten Umgang:

Füllen wir sie kreativ und originell mit neuem Leben!

Wir leben heute nun mal eher in kleinen und privateren Gemeinschaften als in großen Vereinen, Gewerkschaften und Kirchen. Dort in den privateren Gemeinschaften den FeierTagen mehr und neuen Raum zu geben, da sehe ich ihre Zukunft.

Ich werbe da für eine Art Stufenplan: Zuerst einmal für uns ganz persönlich im privaten Bewusstsein. Gönnen wir dem jeweiligen FeierTag einen Moment stiller Nachdenklichkeit: Was ist das für ein Fest heute? Was war früher seine Bedeutung? Was kann ich dem persönlich abgewinnen – oder eben nicht. In einer zweiten Stufe tauschen wir uns mit unserem Lebensumfeld aus: „Wie seht ihr, meine Lieben, das heutige Fest und was denkt ihr zu meiner Meinung?“ Mit denen planen wir dann eine dritte Stufe: Auf was hätten wir denn heute zu diesem speziellen FeierTag einmal gemeinsam Lust? Können wir etwas Schönes, Kluges dazu lesen, eine spezielle Musik anhören, einen spezifischen Ort aufsuchen? Kennen wir eventuell noch andere Leute, die da vielleicht mitmachen wollten? Daraus könnte ein Freundes-, ein Nachbarschafts-, ein Stadtteil-, ein DorfEvent werden. Oder ein Statement, ein Gedicht, ein Brief an Freunde und Bekannte, ein Aushang, den wir gemeinsam verfassen und verteilen; vielleicht an die lokale Zeitung geben. Und wenn wir an diesem Tag einfach nur spazieren gehen, dann könnten wir den Menschen, die uns begegnen, diesen Brief schenken oder nur einen ganz „spezifischen FeierTagsGruß“.

Mit einer Grußkarte Menschen für die Arbeit, die sie für mich machen, danken

Für den heutigen „Tag der Arbeit“ habe ich mir vorgenommen, mit einer Grußkarte ein paar Leuten in meiner Umgebung ganz konkret dafür zu danken, wie sie ihre Arbeit für mich ausüben. Zwei meiner ÄrztInnen wohnen in meinem Dorf; der Pizzabäcker bekommt mit dem Kärtchen ein extra Trinkgeld; die Briefträgerin und den Zeitungsboten habe ich gestern schon „bedient“. Und meine Frau, die bekommt ein extra Dankeschön, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut bringt!

Ich wünsche einen schönen, neuen und kreativen 1. Mai allerseits!

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