In jedem Menschen steckt ein Nikolaus
Heute ist Nikolaustag, und da erinnere ich mich besonders an einen Nikolaustag in meiner Kindheit. Meine Mutter, mein jüngerer Bruder und ich lebten damals in einem Dorf am Rande des Rothaargebirges in einer kleinen Zweizimmerwohnung. Da waren wir als Flüchtlinge untergekommen.
Besuch von Nikolaus und Knecht Ruprecht
An jenem 6. Dezember erschienen abends der Nikolaus und sein Knecht Ruprecht in unserer Wohnung. Der Knecht Ruprecht rasselte mit einer Kette und hielt eine Rute in seiner Hand. Dann zählte er auf, wann wir nicht brav gewesen seien, unsere Mutter geärgert und ihr damit das Leben schwer gemacht hätten. Das sollten wir in Zukunft lassen, drohte er, denn sonst setze es etwas mit seiner Rute.
Der Nikolaus redete freundlich mit uns. Er lobte uns, dass wir der Mutter auch manchmal geholfen hätten, griff in den Jutesack, den er bei sich trug, und schenkte jedem von uns ein Päckchen.
Erkannt an den Schuhen
Dann kam der Moment, den ich nicht vergessen habe. Mein Bruder und ich erkannten die verkleideten Gestalten an ihren Schuhen. Wir waren ganz sicher: Das waren unser erwachsener Cousin und sein Freund. Meine Mutter hatte wohl die beiden als Nikolaus und Knecht Ruprecht bestellt.
Und noch etwas habe ich nicht vergessen: Der eine, der uns Strafen angedroht hat, falls wir nicht brav sind, ist mir unsympathisch geblieben. Der andere, der Nikolaus, ist mir durch seine Freundlichkeit und Zuwendung in guter Erinnerung – bis heute.
"Menschen, die drohend auftreten wie Knecht Ruprecht, mag ich nicht"
Menschen, die drohend auftreten wie Knecht Ruprecht, mag ich nicht. Aber in jedem Menschen, der sich mir freundlich zuwendet und gut zu mir ist, sehe ich einen verkleideten Nikolaus.
Ich glaube: In jedem von uns steckt irgendwie ein Nikolaus. Lass ihn raus!