Würde Jesus zum Brunch gehen?
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Würde Jesus zum Brunch gehen?

Martina Patenge
Ein Beitrag von Martina Patenge, Katholische Referentin für Glaubensvertiefung und Spiritualität, Kardinal-Volk-Haus Bingen

Ach, ist das herrlich: Ein Kleinkind läuft um die Tische und guckt, was die Leute so machen. Leise spielt Musik, auf der Terrasse ist es noch angenehm kühl. Das Büffet ist gut bestückt. Links und rechts wird gelacht und diskutiert. Dort drüben sitzt jemand allein mit Zigarette, Kaffee und Buch: Es ist Samstag und Frühstückszeit in einem Café. Im Café frühstücke ich selten. Meistens tue ich das zu Hause in aller Ruhe und lese dabei die Zeitung. Aber die jungen Leute meiner Familie haben es mir beigebracht: ab und zu eben mal im Café zu frühstücken. Sie meinen, ich solle auch ab und zu so etwas machen. Das würde mir gute Laune schaffen. Heute ist also für mich so ein Festtag. Denn ich treffe mich mit einer Patentochter. Wir haben uns lange nicht gesehen. Sie studiert, ich gehe meiner Arbeit nach, leider finden wir nicht so oft zusammen. Aber jetzt hat es geklappt. Kaum haben wir unsere Teller gefüllt, kommen auch die interessanten Gesprächsthemen. Das macht so eine Freude. Sie ist ein politischer Mensch, jung, klug und überlegt. Man kann sich wunderbar mit ihr unterhalten. Sie hat eine Meinung, sie hat Charakter, und sie weiß eine Menge. Ich lerne viel von ihr. Aber jetzt genieße ich erst einmal zwei Dinge gleichzeitig: Ich genieße diese junge Frau, ihr frisches Wesen. Und ich genieße das schöne Frühstück.

Zusammensein - Zeit miteinander teilen - reden können. Das macht mein Leben reich. Die Zeit im Café ist für mich himmlisch. Eine kostbare Zeit. Lebensglück. Wenn ich mich umgucke, sehe ich lauter frohe Gesichter. Wir Menschen brauchen die Gesellschaft anderer Menschen. Und es wundert mich nicht, dass sogar die Bibel davon erzählt: Auch Jesus war ein geselliger Mensch. Er war fast immer mit Jüngern und Anhängern zusammen, auch zum Essen und Trinken – darauf hat er großen Wert gelegt. Viele haben ihm das übelgenommen. Ein Gelehrter, ein Rabbi, der soll lehren und kluge Sachen sagen. Aber der soll doch nicht mit den einfachen Leuten zusammensitzen und seine Zeit beim Essen und Trinken verplempern.

Ich bin froh, dass er nicht auf die Spaßbremsen gehört hat. Im Gegenteil. Es gehört zu Jesus, dass er mit anderen zusammen ist. Er will mit ihnen essen, reden, nachdenken - und von seinen Gedanken erzählen. Auch damals haben er und die Menschen um ihn schon über Gott und die Welt diskutiert. Das geht in einer entspannten Atmosphäre besonders gut. Und auf diese Weise hat Jesus mit anderen das Leben geteilt. Bei Tisch haben sie vielleicht am meisten davon erfahren. Da haben sie miterlebt, was Jesus für einer war, was er gedacht hat, wie er gelebt hat und was ihm wichtig war. Und noch mehr: Die Freunde haben auf diese Weise ganz viel von Gott erfahren. Denn sie haben durch Jesus Gott erlebt. Da brauchte er gar nicht immer nur von Gott zu reden.

Auch das hat Jesus gelehrt: So schön Predigten sind – eine gemeinsame Zeit kann manchmal noch mehr von Gott erzählen. Wie ich es erlebt habe im Café - bei meinem Frühstück mit meiner Patentochter.

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