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Er wird mich nicht mangeln
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Er wird mich nicht mangeln

Andrea Wöllenstein
Ein Beitrag von Andrea Wöllenstein, Evangelische Pfarrerin, Marburg
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Einmal im Monat ging die Mutter zum Mangeln. Und er durfte mit – der kleine Junge, der mir die Geschichte viele Jahre später erzählt hat. Die Mutter sammelte die Wäsche immer in einem großen Korb. Die guten Leinentischdecken, die Betttücher – damals noch ohne Gummizug – Kopfkissen und Bettbezüge, – alles, was besonders glatt wer­den sollte, kam mit zur Heißmangel. Wenn sie die Tür öffneten, schlug ihnen feuchte Wärme entgegen. Meist waren schon einige Frauen da. Die Ärmel hochgekrempelt, die Gesichter gerötet von der Hitze. Fasziniert hat er ihnen bei der Arbeit zugeschaut: Wie sie die zerknitterten Wäschestücke vorne zwischen die Walzen legten und wie sie glatt gemangelt hinten wieder herauskamen. Wenn er mitanfassen wollte, hieß es immer: Pass auf, dass deine Finger nicht in die Mangel kommen!

Im Kindergottesdienst hat er dann den Psalm vom guten Hirten gehört, der seine Schafe zur Weide führt, für sie sorgt und sie beschützt. Irgendwie war da auch was mit Mangeln – aber so genau hat er es sich nicht merken können. „Der Herr ist mein Hirte“ – wie ging es gleich weiter? Bei der Heißmangel fiel es ihm wieder ein: „Der Herr ist mein Hirte, er wird mich nicht mangeln!“
Eine lustige Wortverdrehung, wie wir sie von Kindern kennen! Wenn ich heute den Psalm höre -„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ - denke ich immer auch an die Version des kleinen Jungen. Gott sorgt für mich wie ein Hirte für seine Schafe. Ich kann mich seiner Führung anvertrauen. Er wird mich nicht mangeln!

Aber es gibt Situationen, da kommen mir meine Zweifel. Denn das Leben kann einen ganz schön in die Mangel nehmen! Arbeitsbelastung, Probleme in der Familie, Erwar­tungen, die ich nicht erfüllen kann - manchmal kommt der Druck von allen Seiten. Abends fühle ich mich wie platt gemangelt. Und manchmal mehr als das. Es gibt Zeiten, da kommt eins nach dem anderen. Mangelzeiten, wo es vorne und hinten fehlt. Wo ich mich ausgelaugt fühle und schwach und nicht weiß, woher die Kraft nehmen für den nächsten Tag. Dann hilft es mir, wenn ich mir diesen Satz sage: „Er wird mich nicht mangeln!“ Ich komme durch, auch wenn es schwer ist. Gott ist bei mir. Er gibt nicht mehr auf, als ich tragen kann. Meine Aufgabe ist es, zu vertrauen und meine Sorgen und Ängste immer wieder bewusst abzugeben. „Und wenn ich schon wanderte im fins­teren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir!“
Der 23. Psalm hat viele schöne Bilder: Eine grüne Aue, ein finsteres Tal und ein gedeck­ter Tisch, der Stecken und Stab des guten Hirten. Sehnsuchtsbilder, die Trost geben und Hoffnung.  Für mich ist ein weiteres dazu gekommen: „Er wird mich nicht mangeln!“

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