Lebkuchengesetz?

Lebkuchengesetz?

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt

„Was da jetzt schon abverkauft wird, das ist der Hammer". Das sagt Kurt Backmund, Vertreter eines großen Lebkuchenherstellers in Nürnberg zur Umfrage in dieser Woche. Und: „In Deutschland beginnt die Lebkuchensaison seit Ewigkeiten im September.“ Was ist das also, was zwei Drittel der Menschen bei uns nervt an Lebkuchen zum Herbstanfang? Was verdirbt jedem zweiten die Vorfreude auf Weihnachten? Letztes Jahr im September habe ich im Supermarkt einen kleinen Unfall miterlebt, der mich darin bestärkt hat, auf den Beginn der Adventszeit zu warten.

Ein junger Mann im weißen Kittel zieht auf einem elektrischen Hubwagen ziemlich flott eine Palette Christstollen durch die Gänge. Er biegt zackig um die Ecke und bleibt mit seiner weihnachtlichen Ladung an einem Stapel Grillholzkohle hängen. Verpackungen zerreißen und der Hubwagen steckt fest. Weiß staubt der Puderzucker aus dem kaputten Christstollen und schwarz staubt es aus der Grillholzkohle. Der Stollen ist früh dran im September, die Holzkohle eher spät. Aber vielleicht lässt sie sich in einem goldenen Oktober noch an den Mann bringen.

Der junge Mann setzt den Hubwagen zurück und beseitigt die Folgen des Unfalls mit Besen und Schaufel. Er kehrt den schwarzen und weißen Staub auf seiner Schippe zu einem grauen Häufchen zusammen und lässt es schnell in einem Müllsack verschwinden.

Ein solcher Unfall kann auch mit den Zeiten im Jahr und ihren jeweiligen Bräuchen passieren: Wenn wir sie nicht von uns aus trennen und einhalten, auch was die typischen Gebäcksorten betrifft, vermischen wir Schwarz und Weiß zu einem öden Einheitsgrau, nur weil wir beinahe zu jeder Zeit möglichst alles zur Verfügung haben wollen.

Die christliche Tradition mit ihren Fest- und Feierzeiten gibt eigentlich einen guten Rhythmus vor. Wer Advent und Weihnachten nicht erwartet, überspringt die Feste im November. Klar, Buß- und Bettag, Volkstrauertag und Totensonntag, das sind eher traurige Anlässe, ganz ohne besonderes Gebäck, aber auch das Gedenken an Leid und Tod gehören zu unserem Leben. Bis zum ersten Advent sind’s noch dreiundsechzig Tage. Ich kann das gut abwarten auch ohne gesetzliches Verbot. Dann verderbe ich mir auch nicht den Geschmack von Weihnachten.

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