Du bist der Kapitän deiner Seele!
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Du bist der Kapitän deiner Seele!

Ein Beitrag von Helwig Wegner-Nord, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt

Du bist der Kapitän deiner Seele! Das habe ich gerade in einem Gedicht gelesen. Klingt stark. Aber: Stimmt das eigentlich?  Das Gedicht stammt von William Ernest Henley und wurde 1875 erstmals veröffentlicht. Das Besondere an diesem Satz und den übrigen Versen ist für mich, dass sie rund hundert Jahre später von Nelson Mandela zitiert worden sind und ihm Kraft gegeben haben. Das hat mich neugierig gemacht.

William Ernest Henley, der britische Autor des Gedichts, lebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er litt bereits als Kind unter Tuberkulose. Deswegen hatte man ihm in jungen Jahren einen Fuß amputieren müssen. Und nun, 1875, sollte ihm, gerade 26 Jahre alt, auch der andere Fuß abgenommen werden. Henley war verzweifelt. Er wehrte sich gegen die unausweichliche Operation. In dieser Situation, im Krankenhaus, schreibt er das Gedicht:

„Umfängt mich auch die tiefste Nacht… So dank ich doch der höh´ren Macht, dass meine Seel’ sich unbesiegbar nennt.“
(Deutsch von S. Ferner; www.sonett-archiv.com/forum/showthread.php?tid=174).

So beginnt es. Henley verteidigt seine Integrität: Unbesiegbar, unerschrocken, ungebeugt soll seine Seele bleiben. Das sind die trotzigen Worte, die er findet, um sie der ausweglosen Lage entgegenzuhalten.

Ausweglos schien auch die Lage von Nelson Mandela, dem späteren südafrikanischen Präsidenten, in den Jahrzehnten seiner Gefängnishaft. Aber er wollte im Kampf gegen die Apartheid unbesiegt bleiben. Seine Seele ist auch im Gefängnis unbezwungen geblieben.

Als Mandela im letzten Jahr gestorben war, hat bei der Trauerfeier in Soweto US-Präsident Barack Obama die letzte Strophe des Gedichts von Henley zitiert. Die endet mit den Worten: “I am the master of my fate; I am the captain of my soul.” Zu deutsch: Ich bin der Herr meines Schicksals. Ich bin der Kapitän meiner Seele.

William Ernest Henley hat mit diesem Satz für sich geklärt, wie weit andere über ihn und seine Seele herrschen und kommandieren dürfen. „Ich bin der Käpt’n meiner Seele!“ – das setzt eine Grenze, markiert die Linie, bis zu der eine Krankheit oder eine Gefangenschaft mir zusetzen dürfen, mich lenken oder gar zerstören dürfen.

Und außerdem: wenn ich weiß, dass ich der Kapitän (oder die Kapitänin) meiner Seele bin, dann fange ich nicht so schnell an zu jammern und mache andere für mein Schicksal verantwortlich. Als Kapitän meiner Seele, meines Seelenschiffs liegt das Steuerruder in meiner Hand. Um günstigen Wind kann ich Gott trotzdem bitten.

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