Xavier Naidoo – Zeilen aus Gold (Wurzeln)
„Ich schreib Dir Zeilen aus Gold
Schreib\' aus meiner Seele
Ich hab\' nur zeigen gewollt
Was hier passiert“
Xavier Naidoo macht sich auf die Suche nach seinen Lebenswurzeln. Naidoos Vater Rausammy stammt aus Sri Lanka, hatte deutsche und tamilische Vorfahren und arbeitete eine Weile in England. Xaviers Mutter Eugene ist eine Südafrikanerin arabischer Abstammung. Gelebt hat die Familie dann in Mannheim, im Stadtteil Wallstadt. Dort ist Xavier aufgewachsen, katholisch erzogen. Seine Kindheit war nicht nur einfach. Wegen seiner dunklen Hautfarbe wurde er manchmal gehänselt, sogar bedroht. Darum hat er früh Kickboxen gelernt, um sich im Falle eines Falles besser verteidigen zu können. Seine ersten musikalischen Erfahrungen macht er in Schul- und Kirchenchören. Über das Frankfurter „Rödelheim Hartreim Projekt“ und eine Single mit Sabrina Setlur wird er immer bekannter, besonders aber durch seine Band „Söhne Mannheims“.
Meine Tinte ist wie das Blut meiner ganzen Sippe
Dass sie für mich beten ist für mich so gut
Dass ich für sie ein Lied trag auf meinen Lippen
Auf der Höhe seiner Erfolge, auch nach einigen Tiefschlägen, besinnt er sich auf seine Familienbande. Eben: wo komme ich eigentlich her? Wer bin ich? Was steckt in mir drin, was mir meine Familie mitgegeben hat? In welcher Tradition stehe ich eigentlich? Was sind meine Lebenswurzeln?
„Sie schrieben Zeilen aus Gold / Ich schreib´ aus meiner Seele
Ich hab´ nur zeigen gewollt / Was hier passiert
Ich schreib dir Zeilen aus Blut
Und ich hoffe, du fühlst es
Es gibt ein kostbares Gut und es verbirgt sich in dir“
Zeilen aus Gold sind wichtige Zeilen, wertvolle Worte. Etwas Kostbares! Auch das Schreiben mit Blut ist ganz schön heftig. Da steckt die Frage drin: Was für Blut fließt in mir drin? Was haben mir Menschen mitgegeben, was ich vielleicht noch gar nicht wirklich weiß? Familienbande sind für Naidoo mehr als nur seine Eltern. Eben die ganze Sippe. Das wird deutlich im Video zu seinem Lied. Da sieht man ihn, als er seine Familienbande in Südafrika besucht: zig Kinder, Alte, junge Menschen. Man sieht sie den Tisch decken, ein Fest aufbauen, bevor Naidoo mit einem alten Mercedes ankommt. Sie feiern dann gemeinsam, ausgelassen, tanzen, machen Musik, umarmen sich, erzählen. Es ist eine Reise von Naidoo zu seinen Wurzeln, zu seiner persönlichen Lebensgeschichte. Vielleicht gibt’s ja ein Familiengeheimnis. Auf jeden Fall ist er neugierig auf die „Zeilen aus Gold“. Was gibt’s für Erzählungen, alte Geschichten. In seinen Augen sind sie wie Gold. Wertvolle Familientraditionen, die ihm deutlich machen, was von seinen Ahnen vielleicht auf ihn gekommen ist. Er möchte das wissen, denn nur so kann er sich damit auseinandersetzen, wie er heute geworden ist.
Dein Lehrer weiß es nicht,
Dein Vater weiß es nicht,
Deine Mutter weiß es nicht,
Dein Verehrer weiß es nicht,
manche lügen Dir ins Gesicht
Sieh' zu, dass du nicht zerbrichst
Menschen von außen können ihm das nicht sagen. Wohl nicht mal seine Eltern. Vielleicht haben die sich nie so richtig aufgemacht. Im Endeffekt muss Naidoo für sich selbst rausfinden, wer er ist und warum er so geworden ist, wie er eben ist. Auf der Höhe des Erfolges möchte er sich mit sich selbst auseinandersetzen. Wohl auch, weil er das Gefühl hat, dass ihm nicht jeder die Wahrheit sagt. Vielleicht reden ihm, dem Erfolgreichen, zu viele nach dem Mund oder sonnen sich in seinem Ruhm. Kann sein, dass er die Eltern gefragt hat. Kann sein, dass es auch in jeder Familie Tabuthemen gibt oder Phasen, über die nicht gerne geredet wird. Also muss sich Naidoo selbst aufmachen. Den weiten Weg bis nach Südafrika. Auf dem Musikvideo zum Lied sieht man, wie sie gemeinsam tanzen, ziemlich vorsichtig gemeinsame Tanzbewegungen üben, ausprobieren, miteinander koordinieren, bis ein fröhlicher Tanzmix entsteht. Und mittendrin Xavier Naidoo. Naidoo erfährt im fröhlichen Zusammensein mit seiner Sippe einiges über das Lebensgefühl seiner Familie, über Zusammenhalt, Lebensfreude. Wie sie – alt und jung – aufeinander achtgeben.
Genauso wie er auf seine Sippe neugierig ist, so wirken die auch neugierig auf ihn. Im Musikvideo schleppen sie Möbel herbei, dekorieren, probieren Lichterketten aus und das Fest dauert einen ganzen Tag, bis die Nacht hereinbricht. Spurensuche in der eigenen Familiengeschichte ist spannend. Was hält mich? Was hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin? Wie ticke ich eigentlich? Die Zeilen aus Gold können besondere Worte sein. Vielleicht auch Vorbilder aus seiner Sippe. Nicht alles wird nur gut sein. Und trotzdem: was er als „Zeilen aus Gold“ versteht, das nimmt er mit und schreibt es sich dann in seinem Lied von der Seele. So wichtig sind ihm diese goldenen Zeilen, dass er sie am liebsten mit Blut schreiben möchte. Und was ihm dabei Kraft gibt:
Ich schreib Dir Zeilen aus Gold
Schreib\' aus meiner Seele
Ich hab\' nur zeigen gewollt
Was hier passiert
Meine Tinte ist wie das Blut meiner ganzen Sippe
Dass sie für mich beten ist für mich so gut
Dass ich für sie ein Lied trag auf meinen Lippen
Ein wunderbares Gefühl, wenn meine ganze Sippe für mich betet. Das gibt Kraft. Ein sicheres Gefühl: Dass Menschen aus meiner Lebenswurzel heraus für mich beten. Füreinander beten geht wohl nur, wenn Menschen auch etwas von mir wissen, mit mir Lebensgeschichten teilen. Das, was für so kostbar ist wie Gold. Das Ganze ist ein Geben und Nehmen: Sie beten für ihn und er trägt für sie ein Lied auf seinen Lippen. Eben das Lied „Zeilen aus Gold“. Es ist gut, bodenständig, seine Wurzeln zu kennen und wertzuschätzen.
Das Lied lädt mich ein, über meine Lebenswurzeln nachzudenken. Wenn es geht, auch die zu fragen, die vor mir waren, was war, wie es war. Wie ich wurde, wie ich heute bin. Wo es dunkle Punkte gibt in der Geschichte der Ahnen? Und was kann ich als etwas Wertvolles bewahren? Mich erinnert das an viele biblische Geschichten, wo Segen weitergegeben wird. Wie ein Urvater der Bibel, Isaak, zum Beispiel seinen Segen weiterschenkt an die, die nach ihm kommen (Gen 27,28+29). Und wie wichtig das denen ist, dass sie alles dafür tun, sogar dabei betrügen, um den Segen wirklich abzubekommen. Immer wieder segnen im Alten Testament die Älteren die Jüngeren. Sie legten die Hände auf sie und sagen dazu segensreiche Worte.
Ihnen ist bewusst, dass es Gottes Kraft ist, die sie da weitergeben. Wenn Väter und Mütter der Bibel zu den Nachkommen sagen: Gott segne dich!, dann geben sie die Kraft ihrer Lebenswurzeln weiter (Gen 49,1-28). Und die, die nachkommen spüren, wie wichtig das ist: „Gott segne und behüte dich. Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir uns sei dir gnädig. Gott hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden!“. In den alten biblischen Geschichten sind die Worte des Segens die „Zeilen aus Gold“, an denen sich die Jüngeren dann festhalten und entlang hangeln können.
Ich schreib Dir Zeilen aus Gold
Schreib\' aus meiner Seele
Ich hab\' nur zeigen gewollt
Was mit uns passiert
Ich schreib\' Dir Zeilen aus Blut
Und ich hoffe, Du fühlst es
Es ist ein kostbares Gut, das sich in Dir verbirgt
Es ist wohl schon ein Weg nötig und auch Arbeit um seine Lebenswurzeln aufspüren zu können – um sie dann auch wertschätzen zu können. Bei Xavier Naidoo sogar nach Südafrika. Wenn ich weiß, woher ich komme, was in mir steckt, was mich unendlich wertvoll und kostbar macht – wie Gold eben – dann kann ich das auch weitergeben. Ich kann dann meine eigene persönliche Lebensgeschichte wertschätzen. Ich kann mich den dunklen Flecken in der Familiengeschichte stellen, sie angehen. Aber nur, wenn ich sie kenne. Dann kann ich es womöglich besser machen. Und das, was ich für wichtig erachte, als kostbares Gut annehmen und als Segen weiterschenken.