Eine Notgemeinschaft auf der Autobahn
Ein schickes Cabrio und die Fahrerin passt dazu: Mit strahlend weißem Outfit und einer perfekt sitzenden Frisur. Immer wieder geht sie um ihr Auto herum. Nichts bewegt sich auf der A7 – Vollsperrung. Inzwischen sind wir fast alle ausgestiegen.
Das schwule Paar vor uns führt seine Hunde an die Leitplanke. Sie wollen nach Fehmarn. Und die Cabrio-Fahrerin muss noch in die Barclay-Arena nach Hamburg. Sie managt das Konzert einer Hip Hop-Band.
Plaudereien im Stau
Während ich mich also rechts und links durchplaudere, vergeht die Zeit. Schon anderthalb Stunden sind wir hier. Eine Notgemeinschaft auf der Autobahn. Das Geschimpfe hält sich in Grenzen. Alle sind froh, dass sie nicht in den Unfall verwickelt sind, der den Stau verursacht.
Aber es zeigt sich ein anderes Bedürfnis. Einige der Männer erleichtern sich schon an der steil abfallenden Böschung neben dem Standstreifen.
Erleichterung auf Frauenart
„Das würde ich auch gern können“, seufzt die elegante Frau – und hat eine Idee. „Meine Decke wäre nützlich“, sagt sie und verschwindet gen Kofferraum. Sie holt eine leichte Decke heraus. „Würden Sie mir vielleicht helfen?“, fragt sie mich – und so machen wir es. Ich halte die Decke als Sichtschutz und werde danach auch freundlich abgeschirmt.
Weil es keine Möglichkeit gibt, sich in die Büsche zu schlagen, kommt die Decke der Cabrio-Fahrerin noch einige Male zum Einsatz. Eine skurrile Situation: Wildfremden Frauen beim Pinkeln zu helfen.
„Wir Frauen sind eben pragmatisch.“, konstatiert die Decken-Besitzerin – „und solidarisch“, ergänzt eine der Umstehenden.
Als wir drei Stunden später endlich weiterfahren können, schmunzele ich über das Erlebte. Nächstenliebe kann so praktisch sein. Es braucht nur eine Decke und den Willen, sich gegenseitig zu helfen