Die Ersten und die Letzten
Es war in richtiges Olympia-Märchen, im vergangenen August bei den Olympischen Sommerspielen in Rio. Mittendrin die US-amerikanische Leichtathletin Abbey D’Agostino. Sie tritt an zum 5000-Meter-Lauf. Und sie will unbedingt gewinnen.
Aber am Ende kommt es ganz anders. Schon am Anfang kollidiert sie. Mit der Neuseeländerin Nikki Hamblin. Beide stürzen. Aus der Traum! Aber dann steht Abbey D’Agostino auf. Sie nimmt ihre Kontrahentin an der Hand und sagt: „Komm hoch, komm hoch. Wir müssen ins Ziel laufen. Das sind die Olympischen Spiele, wir müssen das zu Ende bringen!“
Bis ins Ziel zu laufen – das fällt ihr aber schwer. Ihr Kreuzband und ihr Meniskus sind beim Sturz gerissen, wie sich später herausstellt. Aber sie schafft es, gestützt von ihrer Gegnerin aus Neuseeland. Zwei Minuten Rückstand haben die beiden auf die Siegerin des Vorlaufs. Im Ziel fallen sie sich in die Arme.
Klar, eine Goldmedaille wäre schön gewesen. Ich denke aber, dass ich mich an die Siegerin Abbey D’Agostino heute nicht mehr erinnern könnte. An den Menschen Abbey D’Agostino erinnere ich mich aber noch sehr gut. Sie hat ein Interview gegeben, nach dem Lauf. Und da hat sie gesagt:
„Nach dem Sturz bin ich instinktiv weitergelaufen. Ich habe verstanden, dass Gott mein Herz darauf vorbereitet hat, auf diese Weise zu antworten. Er hat mir von Beginn an klargemacht, dass meine Erfahrung in Rio mehr als die reine Leistung im Rennen sein wird."
Menschlich finde ich das großartig. Gewinnen und Erster zu sein ist schön. Aber Mensch zu sein und menschlich zu handeln, kann noch wichtiger sein. Auch wenn man dafür keine Medaille bekommt. Jesus hat mal zu seinen Jüngern gesagt: „Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und Erste, die werden die Letzten sein“ (Matthäus 20,16).