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Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Wiesbaden

Das Spülbecken

Das Spülbecken

Ein Jahr ist es jetzt her, dass ich umgezogen bin. Das meiste konnten wir aus der alten Wohnung mitnehmen. Nur die Küche fehlte. Wartezeit nach Einzug: ein Monat. Na gut: Toaster, Elektro-Herdplatte und Mikrowelle konnten die Küchenzeile fürs Erste ganz gut ersetzen. Woran wir aber überhaupt nicht gedacht hatten: „Wo spülen wir unsere Töpfe und Pfannen eigentlich ab?“ Im winzigen Waschbecken in der Gästetoilette? In der großen Badewanne im ersten Obergeschoss?

Das Spülbecken fehlte. Das war fest eingebaut, in der alten Wohnung. Dafür hatten wir erstmal keinen Ersatz. Ärgerlich! Das Selbstverständlichste hatten wir vergessen. Dass man das Selbstverständliche übersieht, passiert immer wieder. Und man merkt das erst, wenn es nicht da ist. Das gilt aber auch für Menschen. Zum Beispiel solche, deren Arbeit wir selbstverständlich voraussetzen.

Als neulich die Busfahrer gestreikt haben, ist mir das wieder klargeworden. Sie werden meistens nicht besonders beachtet. Wenn sie aber nicht da sind, steht vieles still. Ein Chaos. Das gilt genauso für die Straßenreinigung und die Müllabfuhr. Oder die Pflege- und Reinigungskräfte. Da gibt es eine ziemlich lange Liste von Berufen, die man gerne übersieht. Auf ihre Arbeit will aber niemand verzichten.

Sie alle halten unsere Gesellschaft am Laufen. Und zwar vielleicht noch mehr als jene, die ständig im Blick der Öffentlichkeit sind. Und interessanterweise werden diese unscheinbaren Berufe alle nicht besonders gut bezahlt. Ihr wahrer Wert zeigt sich erst dann, wenn ihre Dienste ausfallen. Klingt vielleicht komisch, aber daran muss ich immer denken, wenn ich morgens in die Küche komme und mein Spülbecken sehe.