Manchmal hilft schon ein Bonbon
Es ist schwül, schon morgens um zehn Uhr. Die Menschen suchen einen Sitzplatz an der Haltestelle. Eine Frau kommt, ziemlich beleibt. Sie atmet schwer und hat einen hochroten Kopf. Ach ach, sagt sie nur und setzt sich. Nein, lässt sich fallen auf einen freien Platz und schnappt nach Luft. Ganz ruhig, sagt eine Frau neben ihr. Ach ach, sagt die beleibte Dame und wischt über ihre Stirn. Wollen Sie ein Bonbon?, fragt die andere Frau. Ja ja, sagt die, die schwer atmet. Die eine holt ein Bonbon aus ihrer Handtasche und gibt es der Nachbarin. Die steckt es sich in den Mund und wird ruhiger. Sie schnauft nicht mehr. Dafür lutscht sie. Als ihr Bus kommt, wirken die Schritte leichter. Auf den paar Metern zum Bus dreht sie sich dreimal um und sagt immer wieder: Danke, vielen Dank. Und nochmal: Vielen Dank. Dabei winkt sie. Ist schon gut, sagt die, die sitzen bleibt.
Geschehen ist wenig, erreicht ist viel. Nach außen war es nur ein Bonbon. Es war aber viel mehr, nämlich Aufmerksamkeit. Die beleibte Frau und ihr schwerer Atem bleiben nicht unbeachtet. Das tröstet. Manchmal wird Schmerz weniger, wenn er beachtet wird. Wenn andere nicht drüber hinwegsehen oder –hören, sondern die Not erkennen. Dann hilft ein Papiertaschentuch, ein Schluck Wasser, ein paar Worte oder ein Bonbon. Das ist gleich. Weil nicht das Bonbon zählt, sondern die Achtsamkeit. Ein Mensch bemerkt mich, hört den schweren Atem, sieht das gerötete Gesicht oder den schweren Schritt.
Und ahnt: Da stimmt etwas nicht. Was könnte man tun? Vielleicht nichts; wir sind ja keine Ärzte. Wir sind aber achtsam und spüren: Ein Moment Ruhe, ein paar Worte und, vielleicht, ein Bonbon. Dann geht‘s besser. Das ist keine Zauberei. Den Achtsamen zeigt Gott, was zu tun ist. Man muss keine Wunder vollbringen. Es genügt, eine Not zu erkennen. Die kleine Not des Augenblicks. Dann hilft Gott auch mal mit einem Bonbon.