hr4 ÜBRIGENS
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Eine Sendung von

Pfarrerin, Echzell

Puzzleteile

Wir haben mal wieder ein Puzzle rausgeholt. Ein hübsches Motiv: Ein kleiner Junge, der mit 5 Penny in der Hand in einem Kolonialwarenladen steht und ausgiebig überlegt, was er kaufen soll, während der alte Krämer gelangweilt wartet. Tausend Puzzle-Teile: Eine Herausforderung.

Der Anfang ist noch leicht: Wir suchen die Teile mit der glatten Kante raus und sortieren den Rand. Dann aber wird es mühsam. Aus den verbleibenden geschätzten 940 Teilen gilt es, die markanten Strukturen rauszusuchen und die vorherrschenden Farben. Das Hemd des Jungen ist rot, das Regal, vor dem er steht, hat eine braune Holzkante, die Jacke des Krämers ist gelb. Anfangs ist es ein Wühlen und Suchen. Scheinbar hat das Ganze wenig Richtung und Ziel, aber so ganz langsam ahnt man etwas. Und immer wieder staune ich dabei über den Prozess: Ich halte ein Puzzleteil in der Hand: grün mit einem braun-schwarzen Strich. Und habe hat keinen blassen Schimmer, wo das hin soll; noch nicht mal wo oben und unten ist. Dann probiere ich es an verschiedenen Stellen aus.

Manchmal finde ich dann die richtige Stelle – und dann ist plötzlich klar: Der braun-schwarze Strich muss quer verlaufen, und das Grün gehört zu einer der Bonbonschachteln im Kaufmannsladen. Dem Puzzleteil allein konnte ich das nicht ansehen, in der Kombination mit den anderen Stücken ergibt es langsam ein Bild. „Wie im richtigen Leben“ denke ich. Da sind so viele Dinge, die ich nicht verstehe: Die Krankheit einer Freundin, der frühe Tod meines Onkels, die Ungerechtigkeiten der Welt.

Aber da gibt es auch Dinge, die schon länger zurückliegen, und die ich heute gut einsortieren kann in mein Lebenspuzzle: Die Unzufriedenheit im Beruf, die mich auf einen neuen Weg gebracht hat; der Besuch eines langweiligen Seminars, bei dem ich eine neue Freundin kennenlernte. Dazu passt ein Spruch des Dänischen Theologen Sören Kierkegaard: „Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.“ Vorwärts leben – das heißt manchmal puzzlen. Manchmal muss ich dabei Teile wieder weglegen, die ich noch nicht anlegen kann. Sie finden später ihren Platz.

Wahrscheinlich wird mein Leben kein klares abgeschlossenes Puzzle mit ordentlichen Rändern. Ein Leben bleibt immer ein bisschen bruchstückhaft. Aber das, was mir unvollendet erscheint, kann ich immer noch Gott hinhalten. Er hat den größeren Überblick.