Zum Abhörskandal: Kontrolle ist gut, Vertrauen besser
„Herr, schütze mich vor meinen Freunden! Mit meinen Feinden werde ich alleine fertig.“ So geht ein lustig gemeintes Stoßgebet. Zum Lachen ist mir nicht, wenn ich erfahre, wie wir alle von befreundeten Ländern abgehört werden.
„Unter Freunden können wir ein bisschen informeller sein“, sagte Präsident Obama bei seiner Rede vor dem Brandenburger Tor im Juni. In der Sommerhitze zog er sein Jacket aus. Ein bisschen informeller, das sollte heißen: lockerer, weil man sich unter Freunden vertrauen kann. Aber mit dem Vertrauen scheint es nicht weit her zu sein. Der amerikanische Präsident ist nicht nur hemdsärmelig ein bisschen informeller, sondern vor allem bestens informiert über seine Freunde. Seine Geheimdienste kennen im Ausspionieren keine Grenzen.
Bei Verwanzung, Abhören, Datensammeln habe ich früher vor allem an Stasi-Methoden oder sowjetischen KGB gedacht. Naiv! Unsere amerikanischen Freunde, aber auch unser eigener Bundesnachrichtendienst versuchen genauso, die totale Kontrolle zu haben.
Vertrauen ist gut, Kontrolle besser, heißt es. Natürlich will ich vor Attentaten geschützt sein und erwarte, dass Polizei und Sicherheitskräfte Terror verhindern. Aber mit Kontrolle und Vertrauen ist es wie in jeder Freundschaft und Ehe: Wenn ich grundsätzlich anfange, dem anderen hinterher zu spionieren, die Handtasche auf Verdächtiges durchsuche, kontrolliere, mit wem er telefoniert hat, E-Mails oder Smse des anderen checke, scheinbar harmlos frage „wo warst du?“ und dann sein Alibi überprüfe, dann ist das der Tod im Topf.
Kontrolle kann Vertrauen zerstören. Durch meinen Argwohn kann ich kaputt machen, was ich mit allen Mitteln schützen will. Natürlich ist Vertrauen riskant, denn ich kann enttäuscht werden. Doch absolute Sicherheit werde ich nie bekommen. Kontrolle ist gut. Ich finde: Vertrauen ist besser.