Reich wird, wer andere gelten lässt
Wir Deutsche sind gelobt worden vorige Woche. Das kommt nicht oft vor in diesen Tagen. Es ging nicht um Geld oder um Fleiß, sondern um unser Herz und unseren Verstand. Ein chinesischer Künstler hat uns dafür gelobt. Er ist ziemlich berühmt und saß in China schon im Gefängnis, weil er ein Gegner der Herrschenden ist. Jetzt lobt er die Deutschen. Der Künstler Ai Wei Wei sagt: Deutsche sind bereit, sich andere Meinungen anzuhören; Deutsche sind offene Menschen und ein großes Glück für die Welt - ich bewundere euch Deutsche (in einem Interview mit der Zeitschrift VOGUE, April 2013). Klingt schön, nicht wahr?
Ich werde gerne gelobt, Sie vermutlich auch. Und so herzliche Worte aus einem anderen Land lasse ich mir gefallen. Lob muss man sich auch gefallen lassen. Man darf ruhig rot werden oder sonstwie ein bisschen beschämt, aber gefallen lassen muss man sich ein Lob. Da soll man nicht immer abwiegeln und nur bescheiden sein, sondern auch mal ein bisschen stolz sein. Sogar stolz sein auf unser Land, was ja oft nicht ganz leicht ist. Deutschland und die Deutschen haben nicht den allerbesten Ruf in der Welt; vor allem wegen des Zweiten Weltkriegs, der von Deutschland begonnen wurde. Aber dieser Tage sagt mal ein Künstler, der in der Welt beachtet wird: Deutsche sind offen und herzlich.
Das tut mir gut - und freut mich für Sie und mich. Geb’s Gott, dass es so ist und so bleibt. Dass wir Menschen aus anderen Ländern deswegen angenehm auffallen, weil wir herzlich sind und bescheiden. Vielleicht auch gastfreundlich. Vor allem offen für andere Meinungen. Die Hauptsache ist: nicht alles gleich besser wissen. Lieber ein wenig länger zuhören, nachfragen und interessiert bleiben. Das ist es, was mein Leben tiefer und farbiger macht. Wer immer nur seine eigene Meinung gelten lässt, bleibt meistens arm. Reich wird, wer andere gelten lässt. Und sich etwas sagen lässt. Also ein offenes Herz hat. Denn: der andere könnte ja Recht haben.