Licht
Wenn ich es abends anknipse, dass Nachtlicht in dem Badezimmer, dann scheint es klein und wenig leuchtkräftig zu sein. Aber wenn es wirklich dunkel geworden ist, dann leuchtet dieses kleine Licht mit einem ganz hellen Schein. Immer wieder denke ich daran, wie viel Symbolkraft in diesem Nachtlicht liegt. In der Dunkelheit bedeutet das kleinste Licht sehr viel: Es weist mir den Weg, es nimmt mir die nächtliche Bedrückung, es wärmt auf eine schwer erklärbare Weise.
Der Januar ist für mich ein Monat, in dem mir oft traurige Geschichten einfallen, Geschichten aus dem Winter 1945: Geschichten von Vertreibung, Hunger, Angst und Tod. Aber auch andere: Erlebnisse von Glück, Hoffnung und überraschende Wärme. Damals, in dem kalten Winter 1945 war ich ein Kind und ich lernte diesen Vers kennen: “Immer, wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her, dass du es noch einmal wieder zwingst und von Sonnenschein und Freude singst – leichter trägst des Alltags harte Last und wieder Kraft und Mut und Glauben hast.“
Es war damals sehr dunkel. Elektrisches Licht gab es nur selten. Die Kerzen, aus Resten zusammengegossen, gaben nur wenig Licht. Damals lernte ich von der Mutter diesen Vers, der wohl auch sie trösten sollte. Sie stickte ihn mit vielen bunten Restfäden zu einem Bild, und es fand sich sogar ein Rahmen. Es hat immer neben ihrem Bett gehangen. Manchmal braucht es einfache Worte, schlichte Verse, die sich festsetzen. Manchmal sind sie ein Leben lang immer wieder Wegweisung, Hoffnungszeichen. So wie ein Licht in der Winternacht in einer dunklen Wohnung. Erlebnisse von Glück und überraschender Wärme.