hr4 ÜBRIGENS
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Himmel ist, wo ich mehr sehe als mich

Himmel ist, wo ich mehr sehe als mich

Ob es wohl den Teufel gibt? Viele fragen sich das schon Jahrhunderte. Gibt es den Teufel? Mit Hörnern auf dem Kopf und einem Pferdefuß? Oder ist er vielleicht elegant mit langem Mantel und feinen Schuhen? Ist er männlich oder weiblich? Bilder vom Teufel gibt es ja genug. Auch in der Bibel (Neues Testament, Matthäusevangelium Kapitel 4, Verse 1-11). Da trifft Jesus eines Tages einen, den er „Versucher“ nennt. Der versucht, Jesus zu verführen. Dreimal sagt er zu ihm: Du bist doch etwas Besonderes, dann tu doch auch etwas Besonderes; mach aus diesen Steinen hier Brot. Oder spring von der Spitze des Turms in die Tiefe. Oder, noch besser: Bete nur mich an, dann lege ich dir die ganze Welt zu Füßen. Dreimal winkt hier der Teufel, und immer winkt er mit Macht. Macht kann teuflisch sein. Manche sind wie besessen davon.

Dreimal winkt der Teufel mit Macht. Dreimal sagt Jesus: Nein. Solche Macht will ich nicht. Er will nicht zaubern und Steine in Brot verwandeln. Er will nicht vom Turm springen und will auch keine Macht haben über die Welt. Macht ist teuflisch, wenn es keine Kontrollen mehr gibt. Alleinherrscher sind besessen von Macht. Besessen von sich selbst. Das ist teuflisch. Himmlisch ist, wenn man liebt. Die Liebe ist auch mächtig, nur anders. Sie schaut nicht nur auf sich selber, sondern ebenso auf andere.

Das ist Lebenskunst. Auf sich selber schauen ist keine Kunst. Das lernt man schnell. Was brauche ich? Was nützt mir? Wo ist mein Vorteil? Viele sind besessen von sich selbst. Mein Auto, mein Haus, mein Konto. Nie ist genug, was man hat. Immer muss alles mehr werden und noch mehr. Das ist teuflisch. Nur Augen für sich selbst. Himmlisch ist, Augen auch für andere zu haben. In der Hölle schaut jeder auf sich. Im Himmel schaut man auch auf andere: Was braucht mein Nachbar? Was bekümmert meinen Freund? Was fehlt meiner Kollegin? Warum weint das Kind? Hölle und Himmel sind nicht irgendwo im Niemandsland. Sie fangen heute an. Wo immer ich gerade bin. Meistens mit den Augen. Geht es nur um mich? Oder ebenso um andere? Himmel ist, wo ich mehr sehe als mich.