hr4 ÜBRIGENS
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Olschewski, Gudrun

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Pfungstadt

Hast du schon gehört?

Hast du schon gehört?

Tratschen tut jeder mal gern. Sicher nicht nur Frauen: Bei Müllers ist was unterwegs. Meiers lassen sich scheiden. Hast du schon gehört? Schulzes sind pleite. Vorgetragen werden solche Neuigkeiten meist in verschwörerischem Ton. Und verbunden mit der Auflage „Erzähl‘s aber bitte nicht weiter“, verbreiten sie sich in Windeseile.

Manche Gerüchte amüsieren eher, andere ärgern und wieder andere können richtig weh tun. Das Tückische an Gerüchten ist, dass ich mich kaum gegen sie wehren kann. Sie machen mich hilflos, weil ich ihren Startpunkt nicht kenne und auch nicht überschauen kann, welchen „Weg“ sie bereits genommen haben. „Das Gerücht ist ein armer Findling“, habe ich mal irgendwo gelesen, „der seine eigenen Eltern nicht kennt“.

An manchen Gerüchten ist gar nichts dran, an anderen ein Körnchen Wahrheit. Selten verbreiten sie die ganze Wahrheit. Das, was gerüchteweise umläuft, trifft fast nie den Kern einer Sache und wird schon gar nicht dem Betroffenen gerecht. Und der Spaß hört dann auf, wenn Unwahrheiten in die Welt gesetzt werden oder Gerüchte, die jemanden in ein schlechtes Licht rücken. Mag bei dem erwarteten Nachwuchs noch freudige Anteilnahme mitschwingen, ist beim Thema Scheidung oft auch Schadenfreude mit im Spiel. Und beim Gerede von der Pleite? Da ist nicht nur der gute Ruf eines Menschen in Gefahr, sondern möglicherweise die ganze Existenz.

„Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“, sagt ein Gebot in der Bibel. Es ermutigt, vermeintliche Neuigkeiten einfach so stehen zu lassen, statt sie gleich brühwarm weiter zu verbreiten. Oder denjenigen, den sie betreffen, offen und direkt daraufhin anzusprechen: „Ich muss Sie mal was fragen“, oder „Ich muss dir da was sagen…“. Vieles klärt sich im Gespräch und manches Missverständnis wird aus dem Weg geräumt. Ich freue mich jedenfalls, wenn jemand mit mir redet, statt über mich zu reden.