hr4 ÜBRIGENS
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Olschewski, Gudrun

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Pfungstadt

Anderer Blick

Anderer Blick

In alten Fotoalben zu stöbern, das macht mir Spaß. Vor allem, wenn ich es zusammen mit anderen tue, mit meinem Mann oder mit guten Freunden, die ich lange nicht gesehen habe. Dann holen wir sie raus, die Fotos aus der „guten alten Zeit“, in der wir alle noch etwas jünger waren. Fotos von den ersten Gehversuchen, zum Beispiel, oder den Ferien an der Nordsee, das Foto vom Schulabschluss oder der Hochzeit. Die alte Zeit wird so wieder lebendig, bekommt Gesicht in den Gesichtern von Menschen.

Meist gibt es dabei viel zum Lachen, weil es schon so lange her ist und weil man sich meist sehr verändert hat. „Bist du das etwa auf dem Foto da gewesen?“ fragte mich neulich mein Patenkind, als wir die Fotos von ihrer Konfirmation mit denen von meiner verglichen. „Da hast du aber noch ganz anders ausgesehen.“ Fotos fangen den Augenblick ein. Sie erzählen von einer anderen Zeit. Und sie erzählen von Veränderung. Das Leben hinterlässt Spuren, innerlich wie äußerlich. Aus der Jugendlichen von damals wurde eine Frau in der Mitte des Lebens. Ich sehe anders aus als vor zwanzig oder dreißig Jahren, älter und reifer. Die Haut hat ein paar Falten bekommen. Ich trage die Haare anders und auch die Farbe verändert sich im Laufe der Zeit, ganz zu schweigen von der Mode.

Manchmal macht mich das wehmütig, aber insgesamt denke ich: ‚Es ist gut so‘. Leben bedeutet, sich zu verändern und zu entwickeln. Trotzdem brauche ich etwas, das bleibt. Für mich ist das Gottes Liebe. „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt“, so sagt es die Bibel. Gott sieht mich mit Liebe an, gestern, heute und morgen. Alterserscheinungen hin oder her, Gottes Liebe bleibt - inmitten aller Veränderung. Ich stelle mir sogar vor, dass er hofft, dass bei allen Veränderungen dieser liebende Blick auch auf mich übergeht und ich mich und die Welt mit liebenden Augen sehe, immer mehr.