Weggefährten
Auf Reisen ist mir das ab und zu schon so passiert. Im Zug, wenn jemand neben mir auf dem freien Sitz Platz nimmt. Da kann es sein, dass wir miteinander ins Gespräch kommen und uns auf Anhieb gut verstehen. Ich kenne den Gesprächspartner zwar nicht, erfahre vielleicht nicht einmal seinen Namen und weiß, dass wir in einer halben Stunde wieder auseinandergehen werden, ohne uns wieder zu sehen. Doch gerade das führt manchmal zu intensiven Gesprächen: über persönliche Sorgen, über Zweifel und die großen Fragen des Lebens. Aus einer flüchtigen Reisebekanntschaft kann so etwas ganz Besonderes werden.
Philippus, einem Mann, von dem die Bibel erzählt, ging es so: Er sieht eine Kutsche. Ein Fremder sitzt darin und liest. Als die Kutsche zum Stehen kommt, entdeckt Philippus, was der Fremde in Händen hält: einen Text in hebräischer Sprache, Worte der Bibel. „Kannst du verstehen, was du da liest?“, fragt Philippus. „Nein“, antwortet der Fremde „niemand hilft mir.“ Philippus lässt sich nicht lange bitten, setzt sich mit in die Kutsche und erklärt, worum es in dem Text geht und was er bedeutet. Dann lässt der Fremde die Kutsche wieder halten, steigt aus und sagt zu Philippus: „Schau mal, da ist so schönes Wasser. Kannst du mich taufen?“ Philippus lässt sich das nicht zweimal sagen. Gesagt, getan. Danach geht Philippus seinen eigenen Weg weiter. Und der Fremde auch. Die Bibel sagt es so: „Der Fremde ging nun seinen Weg fröhlich“.
Manchmal kann ich mich einem Fremden gegenüber viel leichter öffnen. Ohne zu überlegen, was der jetzt wohl von mir denkt. Ich habe den Eindruck, anderen geht es auch so. Jeder bringt das ein, was er selbst erfahren hat und erzählt, wie er etwas erlebt hat. Und wenn sich unsere Wege wieder trennen, dann kann es sein, dass die eigenen Wege klarer sind. Der andere hat mir einen neuen Blickwinkel eröffnet, vielleicht ohne es zu merken. So wird aus einem Menschen, der die gleiche Strecke gefahren ist, ein Weggefährte.