hr4 ÜBRIGENS
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Becker, Michael

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Kassel

Was man braucht, muss man pflegen

Was man braucht, muss man pflegen

Hast du das gehört, Junge? So ruft nur meine Tante Hilfe bei mir an, wenn sie sich ärgert oder aufregt. Vor ein paar Tagen hat sie sich aufgeregt. In der Hessenschau lief ein Film mit dem Titel „Was glauben die Hessen?“ Da hört Tante Hilde etwas, was sie wundert. Und ruft gleich an: Hast du das gehört, Junge? Drei von vier Hessen finden gut, dass es Kirchen gibt. Aber dann, sagt sie: Nur einer von vier Hessen sagt, er gehöre dazu und sei Christ. Das geht doch nicht, sagt sie. Junge, was sagst du dazu?

Ich sage nur: Ja ja, und frage dann: Was meinst du denn mit ‚Das geht doch nicht‘? Also, sagt Tante Hilde, ich finde das unlogisch. Wenn man Kirchen gut findet und selber nicht hingeht oder mitmacht, stimmt doch ‘was nicht. Weißt du, Junge, ich habe gelernt: Was man braucht, muss man pflegen. Was man gern hat, dem muss man auch mal dienen. Sonst verschwindet es ganz von alleine. Tante Hilde hat sich jetzt in Form geredet, könnte man sagen. Sie geht gerne in die Kirche und nimmt an der Frauenstunde teil. Manchmal besucht sie neu Zugezogene in ihrer Nachbarschaft. Ich tue, was ich kann, nennt sie das. Am Telefon sagt sie es wieder: Man muss doch tun, was man kann. Kirchen schön und gut finden, ist gut und schön - aber davon bleiben sie ja nicht schön, sagt sie. Eine Wohnung, in der man nicht lebt, verstaubt langsam. Ein Garten, den niemand pflegt, bringt auch keine Früchte. Freundschaften, in denen man nicht miteinander redet, werden öde. Was meinst du?

Tante Hilde war jetzt ein wenig erschöpft. Ihre Stimme wurde leiser. Ich habe ihr versprochen, noch weiter darüber nachzudenken. Manchmal muss ein anderer einen ja auf gute Gedanken bringen. Etwas später am Abend wusste ich, dass sie Recht hat. Es ist eigenartig, dass viele in Hessen die Kirchen wichtig finden, aber immer weniger damit zu tun haben wollen. Was ich wichtig finde, dem diene ich doch. Wo man etwas gerne mag, da soll man auch mit machen, mit singen, reden und sich einmischen. Was man braucht, das braucht auch mal mein Opfer. Und wer die Kirche gerne hat, dem tun Opfer doch nicht weh.