hr4 ÜBRIGENS
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Wisseler, Till Martin

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Langenselbold

Wann bin ich gesund?

Wann bin ich gesund?

Wann bin ich eigentlich gesund?

Die Weltgesundheitsorganisation sagt: „Gesundheit ist ein Zustand vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen.“ Das ist eine klare Aussage. Vollständiges körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden. Das soll Gesundheit sein. Aber: Gibt es das? Vollständige Abwesenheit von Krankheit, vollständiges Wohlbefinden an Leib und Seele? Schön wäre es schon, aber ich fürchte, das gibt es nicht; jedenfalls habe ich das noch nicht erlebt. Es ist auch keine Frage des Alters. Gewiss können die Krankheiten mit dem Alter zunehmen; nicht nur die berühmten Zipperlein, nein, auch richtig schwere. Aber eben nicht nur im Alter. Auch in jungen Jahren ist das möglich. Manche müssen einen großen Teil ihres Lebens mit Krankheiten leben; chronisch, sagen wir, die ganze Zeit an Leib oder Seele beeinträchtigt. Nur: Wenn das so ist: Bin ich dann überhaupt jemals gesund?

Ich glaube, gesund bin ich dann, wenn ich trotz Beeinträchtigung an Leib und Seele mein Leben gestalten und aktiv daran teilnehmen kann. Gesund bin ich, wenn ich gelernt habe, mit meiner Beeinträchtigung umzugehen oder jedenfalls dabei bin, es zu lernen. Manchmal kann es sein, dass ich dazu Hilfe brauche – Menschen, die mir vorübergehend oder regelmäßig zur Seite stehen. Medikamente sind auch eine Hilfe, weil sie Abläufe im Körper neu regulieren oder krankmachende Stoffe bekämpfen.

Wenn ich das so sehe, ist Gesundheit mir nicht erst dann geschenkt, wenn mein Körper und meine Seele völlig frei von Störungen sind. Gesundheit ist mir dann schon geschenkt, wenn ich die Kraft habe und die Möglichkeiten, mit den Beeinträchtigungen an Leib und Seele umzugehen und zu leben. Wenn ich Gesundheit so verstehe, mag das rein medizinisch betrachtet zwar nicht korrekt sein. Aber eine Hilfe, was das ganze Leben betrifft. Gesundheit ist mir dann schon geschenkt, wenn ich die Kraft habe und die Möglichkeiten, mit den Beeinträchtigungen an Leib und Seele zu leben oder jedenfalls lerne, damit zu leben.