Seniorenportion
Es gibt sie noch, die urigen kleinen Gasthöfe in den alten Frankfurter Stadtteilen. In so einem gemütlichen Ambiente hatten wir uns niedergelassen, geschwatzt, gegessen, und nun wollten wir bezahlen. Der Wirt räumte aber erstmal den Tisch ab und stellte dabei fest, dass nicht alle alles aufgegessen hatten. Nun, die Erklärung war einfach: es war zu viel auf den Tellern gewesen. Mit vielen entschuldigenden Worten versuchten wir deutlich zu machen, dass es an uns, nicht an dem Wirt gelegen hat: sein Essen hat uns gut geschmeckt.
Das war für ihn die Gelegenheit, uns zu erklären, dass man ja auch eine kleine Portion bestellen kann, eine ‚Seniorenportion’. Kaum hatte er das Wort ausgesprochen, da ergänzte er: "Aber dafür müssen Sie natürlich einen Ausweis mitbringen, damit ich sehe, dass Sie wirklich schon in dem Alter sind, in dem für Sie eine Seniorenportion infrage kommt."
Wir guckten uns an: lauter weißhaarige Menschen saßen da am Tisch. Keine und keiner ließ Zweifel zu, dass das Seniorenalter längst erreicht war. Aber dieser Wirt, der kannte seine Gäste. Wer zählt sich schon freiwillig unter die Senioren und gibt damit zu, dass er, dass sie alt ist! Mit großer Freundlichkeit und Charme hatte er die sprachliche Schwierigkeit umschifft, und die Tischrunde bestätigte lachend, dass er wirklich geschickt den Begriff der Seniorenportion eingeführt hatte.
Den Beschluss des guten Essens machten dann Geschichten von alten Verwandten, die um keinen Preis der Welt eine Seniorenportion bestellt hätten, weil sie es sich nicht gestatteten, alt zu sein. Aber wir, wir werden beim nächsten Mal die kleinere Portion bestellen – mit Ausweis.