hr4 ÜBRIGENS
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Olschewski, Gudrun

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Pfungstadt

Ruhe-Tag

Ruhe-Tag

In der Frühe, so kurz vor sieben, geht es in der Regel los. „Aha, da sind sie wieder“, denke ich und trinke den letzten Schluck Kaffee in morgendlicher Ruhe. Schon geht es weiter. Direkt vor der Haustür werden die Bauabsperrungen weggeräumt, und die Arbeiter holen ihre Geräte aus dem Schuppen. Zum Schluss starten sie den Bagger: Ohrenbetäubend und markerschütternd. Er ist zum Greifen nah, weil er direkt vor meinem Fenster steht. Zwischendurch ist er auch schon mal als Presslufthammer zu hören, Tag für Tag, zwölf Stunden lang geht das so, seit Wochen schon. Ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.

Auch wenn ich weiß, dass in meiner Straße gebaut werden muss: Der dauernde Krach zehrt an meinen Nerven. Die ganze Woche über sehne ich mich nach jedem Sonntag, an dem es keinen Baulärm gibt, an dem auch der Bagger still steht. Wenn dann noch die klare Morgenluft und die ersten Sonnenstrahlen durch mein Fenster strömen, genieße ich diesen Moment ganz besonders. Ist es warm genug, gehe ich vor die Haustür, genieße die saubere Luft ohne Baustaub und Dieselgeruch.

Ich atme tief durch und öffne meine Sinne für die Natur um mich herum, gehe auf Entdeckungsreise: Ein leichter Sommerwind ist zu spüren, angenehm und warm. Der Himmel strahlt in einem fast wolkenlosen Blau. Eine Amsel trällert ihr Morgenlied. Die Rosen blühen prächtig, verströmen ihren unverkennbar einmaligen Duft und die Wiese steht voller Dotterblumen. Die Brombeeren tragen gut in diesem Jahr und die ersten Früchte sind sogar schon reif. Und dann die alte Kastanie mit ihrer riesigen Krone und dem mächtigen Stamm. Tief und fest verwurzelt in der Erde kann sie so schnell nichts umwerfen.

„Geh aus mein Herz und suche Freud’ in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben,“ heißt es in einem Lied, das im evangelischen Gesangbuch steht. Und weiter: „Schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.“ Ich genieße jeden Augenblick in meinem Garten. Ich lasse hinter mir, was mich die Woche über angestrengt und beschwert hat. Ich spüre: Das gibt mir Halt und neue Kraft.

Für diesen Tag der Ruhe und Stille, den Sonntag, heute, danke ich Gott, bevor es morgen früh wieder losgeht, pünktlich kurz vor sieben.