Die Elfenbeinkette
Das kleine Mädchen kletterte immer wieder auf den Schoß der Uroma. Bei ihr fühlte sie sich wohl. Die Oma war immer so schön ruhig. Das lag nicht nur an ihrem Wesen. Auch daran, dass sie schon lange im Rollstuhl saß. Am liebsten war die Uroma in ihrer Stube und sah über die Felder. Ausfahren mochte sie nicht mehr. Manchmal machten das kleine Mädchen und ihre große Schwester mit der Uroma auch ein „Rollstuhlrennen“ durch den langen Flur. Das war einer der wenigen Momente, in denen die alte Frau herzhaft lachte.
Viele Jahre später war aus dem kleinen Mädchen eine junge Frau geworden. Und dann kam ihr Hochzeitstag. „Hast du auch etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes, etwas Blaues?“ fragten ihre Freundinnen. Natürlich! Das Brautkleid und die Schuhe waren neu. Unter dem Kleid versteckte sich ein zart-blaues Strumpfband und die Perlenohrringe hatte ihr die Mutter geliehen. Und etwas Altes? „Das wird wohl deine Kette sein“, kicherte eine Freundin „die Perlen sehen schon so alt aus!“ „Das ist Elfenbein, das sieht so aus“, war die knappe Antwort der Braut. Die Kette war von ihrer Uroma. Sie hatte ihr diese Elfenbeinkette zum vierten Geburtstag geschenkt. Es sollte ihr letztes Geschenk sein. Noch nie hatte die junge Frau diese Kette getragen. Wie einen Schatz hatte sie sie über all die Jahre in ihrem Schrank verwahrt. Aber heute an ihrem Hochzeitstag sollten alle dabei sein. Auf diese Art war ihre geliebte Uroma auch dabei.