hr4 ÜBRIGENS
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Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Willmenrod

Das Vogelnest

Das Vogelnest

In unserer Gartenhecke haben in diesem Jahr Amseln genistet. Von unserem Wohnzimmerfenster aus konnten wir sie beobachten. Zuerst haben sie Zweige herangeschafft. Das fertige Nest wurde dann mit Moos und Federn weich ausgepolstert. Sie haben gebrütet und sich schließlich fürsorglich um ihre frisch geschlüpften Küken gekümmert. Sie waren unermüdlich auf Futtersuche, um die hungrig piepsenden Schnäbel zu stopfen. Als die Kleinen dann flügge wurden, wurde es mit einem Mal gefährlich: Auf der einen Seite der Hecke war der sichere Garten – auf der anderen Seite eine stark befahrene Straße.

Die Vogeleltern hüpften aufgeregt in unserem Garten herum. Sie riefen ihre Jungen, versuchten, sie zu sich zu locken. Mehr konnten sie nicht tun. Sie mussten darauf hoffen und vertrauen, dass die Kleinen sich für den sicheren Garten entscheiden würden und nicht auf die gefährliche Straße flattern würden. Wir waren dann für ein paar Tage weg, Verwandte besuchen. Das Nest in unserer Hecke war danach verlassen. Ich weiß nicht, für welche Seite sich die jungen Amseln entschieden haben. Ich weiß nicht, ob sie überlebt haben.

Ich hoffe es und denke, dass die Amsel-Eltern instinktiv etwas tun, was mir hoffentlich auch manchmal gelingt.  Dass ich loslasse und darauf hoffe, dass schon alles irgendwie gut gehen wird. Dass ich darauf vertraue, dass nicht ich, sondern jemand anderes seine Hand schützend über geliebte Menschen hält.