hr4 ÜBRIGENS
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Olschewski, Gudrun

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Pfungstadt

Das Feld ist bestellt

Das Feld ist bestellt

Zaghaft drücke ich auf den Klingelknopf, rechts neben der Tür. Alles Mögliche geht mir durch den Kopf: Was wird mich erwarten? Wie wird es ihm gehen? Werde ich mit ihm sprechen können? Schon lange habe ich vor, den Mann zu besuchen. Seit zehn Jahren kenne ich ihn. Er ist ein treuer Kirchgänger gewesen. Von einer Nachbarin erfahre ich, dass er Krebs hat. Viel Zeit bleibe ihm nicht mehr, so heißt es. „Hoffentlich ist es nicht schon zu spät“, denke ich. Immer wieder habe ich den Besuch vor mir hergeschoben, bis heute.

Drinnen schrillt die Klingel. Seine Frau öffnet mir die Tür und bittet mich in die Wohnung. Ich gehe hinein, den Flur entlang, gerade aus ins Wohnzimmer. Das weiß ich noch vom meinem letzten Besuch, beim 75. Geburtstag. Damals war noch alles in Ordnung. Der Mann erfreute sich bester Gesundheit. Und dann, von einem Tag auf den anderen, die schlimme Diagnose.

Auf dem Sofa am Fenster sitzt der Mann. Während ich eintrete, versucht er aufzustehen, um mich zu begrüßen. Es macht ihm sichtlich Mühe. Schmal ist er geworden, muss all seine Kraft zusammennehmen. „Schön, Sie zu sehen“, sagt er und streckt mir seine Hand entgegen. „Setzen Sie sich, dann kann ich es auch wieder tun“. Ohne lange zu zögern, erzählt er mir von seinen letzten Wochen.

Schon seit einiger Zeit habe er gespürt, dass etwas nicht in Ordnung sei. Doch zum Arzt ging er sei erst, als die Schmerzen unerträglich wurden. „Und ging alles ganz schnell“, sagt er. Sofort kam er ins Krankenhaus: Die Operation habe er gut überstanden, doch die Schmerzen blieben. Seiner Frau zu Liebe habe er dann auch eine Chemotherapie gemacht. Doch die Werte wurden nicht besser. Eine zweite habe er abgelehnt. „Ich habe mein Leben gelebt. Meine Frau ist versorgt, Kinder und Enkelkinder sind erwachsen. Das Feld ist bestellt“. Der Mann hält inne. „Angst vor dem Tod habe ich nicht,“ sagt er. „Wenn Gott mich ruft, dann gehe ich. Daran habe ich mich mein Leben lang gehalten getreu meinem Konfirmationsspruch: ‚Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn‘. Darauf vertraue ich auch in meinen letzten Tagen“.

Und dann streckt er mir zum Abschied seine Hand entgegen.