hr2 ZUSPRUCH
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Müller-Langsdorf, Sabine

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt

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Was das Fass zum Überlaufen bringt

Manchmal reicht ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Vor ziemlich genau 500 Jahren war es so. Damals gab es in unserem Land noch Fürsten und Leibeigene, arme Bauern und reiche Landbesitzer. Eine davon war die Fürstin von Stühlingen im Südschwarzwald.

Ein ungewöhnlicher Wunsch der Fürstin

An einem Sommertag im Juni 1524 orderte die Fürstin Schneckenhäuser von den Erntearbeitern. Kleine Schneckenhäuser!  Auf die sollten ihre Mägde Garn aufwickeln, damit die Fürstin schöne Stickarbeiten anlegen kann. Also mussten die Bauern der Umgebung mitten in der Erntezeit alles stehen und liegen lassen und Schneckenhäuser sammeln.

Der Befehl bringt das Fass zum Überlaufen

Dieser Befehl der Fürstin brachte das Fass zum Überlaufen. Die Bauern zogen vor das Schloss. Sie wollten dem Fürsten erklären, was die Anordnung seiner Frau für sie bedeutet: Die Ernte droht zu verderben, die nächste Hungersnot ist abzusehen. Sie wussten: dann werden die Abgaben härter, wir Bauern noch ärmer.

Was folgte daraus?

Aber der Fürst verweigerte Verhandlungen. Da zogen die Bauern zornig in die nächste größere Stadt. Sie waren bewaffnet mit Mistgabeln und einfachem Gerät. Andere Bauern schlossen sich an. Es folgten weitere Proteste und Aufstände. Das war der Beginn der Bauernkriege.

500 Jahre Bauernkriege

500 Jahre ist das jetzt her. Ich habe mir zu diesem Jubiläum zwei Ausstellungen angesehen. Die eine trug den Titel „Uffrur“. Also: Aufruhr. Damit ging es damals los. Der „Uffrur“ ist der Beginn von Protesten. Und so hieß dann auch die zweite Ausstellung: Protest. Die zeigt: Protest hatte über die Zeiten viele Gesichter: bunte Banner und wehende Fahnen. Später: Demonstrationen. Heute auch die Verbreitung von Hashtags in den sozialen Medien.

Was bleibt - 500 Jahre später?

Beim Gang durch die Ausstellungen habe ich mich gefragt: Warum interessiert dich das überhaupt? Ist doch lange her mit den Bauernkriegen und hat damals ja nicht zum Erfolg geführt. Trotzdem bin ich fasziniert von Ufffur und Protest. Ich glaube, das liegt am Mut der Menschen. Mit dem Mut der Verzweiflung sind sie aufgebrochen. Getragen hat sie auch der Mut, der aus dem Glauben wächst – dem Glauben an Gott, der alle Menschen frei und gleich geschaffen hat. Diese Idee / Vorstellung hat die Bauern ermutigt und getröstet.

Das Ziel: Freiheit und Gleichheit aller Menschen 

Der Gedanke der Freiheit und Gleichheit aller Menschen birgt „Uffrur“ bis heute. Denn er setzt darauf, dass Menschen fähig sind zu einem respektvollen Miteinander und dass ungerechte Zustände sich ändern können.

Manchmal braucht es dazu den einen Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.