hr2 ZUSPRUCH
hr2
Krebs, Stephan

Eine Sendung von

Evangelischer Pfarrer, Langen

00:00
00:00
Ein fröhliches Kind in einem roten Pullover mit Weihnachtsmuster und einer Mütze hält sich die Hände vor die Augen. Im Hintergrund sind verschwommene Lichter und ein weihnachtlicher Baum zu erkennen. Das Kind lächelt, als ob es auf eine Überraschung wartet.

Warten lernen – Vom Ärger zur geschenkten Zeit

Warten ist für viele eine Zumutung. Es passt nicht in einen Alltag voller Aufgaben. Da soll möglichst alles gut und zügig von der Hand gehen. Auch ich war früher schlecht im Warten. Aber eine Zeitlang bin ich beruflich viel mit der Bahn unterwegs gewesen.

Bahnhöfe als Lernorte des Lebens

Bahnhöfe sind gute Lernorte für das Warten. Etwa, wenn man seinen Anschlusszug verpasst hat und der nächste kommt erst in 50 Minuten. Was tue ich mit dieser Zeit? Die meisten vertiefen sich sofort in ihr Smartphone. Darin ist immer etwas los.

Den Moment bewusst spüren – statt abtauchen ins Handy

Auch meine Hand greift unwillkürlich in die Tasche. Doch ich pfeife sie zurück. Diesen Moment will ich erst einmal spüren. Da ist der Ärger über die Verspätung, den lasse ich bewusst wegrauchen. Dann schaue ich mich um: Wer steht da mit mir? Sie sind in diesem Moment meine Mitmenschen.

Verlorene Zeit oder geschenkter Augenblick?

Ich überlege: Ist das hier verlorene Zeit? Oder geschenkte Zeit? Erlebe ich Stillstand oder einen kleinen Freiraum? Ist das hier Zeitverlust oder Pause? Das entscheide ich. Plötzlich sehe ich die Wartezeit in einem anderen Licht: Diese Minuten kann mir niemand nehmen. Ich kann mir diese Zeit vertreiben. Ich kann sie mit Ärger füllen oder mit etwas, was mir guttut.

Gut warten heißt: selbst gestalten

Zum Beispiel kann ich in Ruhe nachdenken und eine gute Idee entwickeln. Ich kann schauen, was ich auf dem Herzen habe und es in ein stilles Gebet bringen. Ich kann auch einen lieben Menschen anrufen. Warten ist meine Zeit. Auf dem Bahnhof habe ich gelernt, sie gut zu gestalten.

Gelassenheit beginnt mit Planung

Für mich gehört diese Erkenntnis dazu: Zum Ärgernis wird das Warten erst, wenn ich es zu eilig habe und eigentlich alles klappen müsste. Es wartet sich besser, wenn man vorher genügend Zeit eingeplant hat. Mein Erfahrungsschatz in Sachen Warten kommt mir auch in der Adventszeit zugute. Beim Warten auf Weihnachten versuche ich mich zu öffnen für das, was hinter dem Fest steht. Da gibt es etwas geheimnisvolles Großes.

Was passiert eigentlich an Weihnachten?

Darin möchte ich einzutauchen: die Geburt des kleinen Christkindes in einem Stall, der Mensch gewordene Gott bei den Menschen. Darauf möchte ich warten. Einerseits ungeduldig und aufgeregt wie ein Kind. Zugleich aber auch offen und gelassen für das, was geschehen wird.

Weihnachten: Raum für das Wesentliche schaffen

An Weihnachten möchte ich Gott einfach machen lassen. Weihnachten ist ja nicht das Fest meiner perfekten Inszenierung. Sondern es ehrt die Geburt eines kleinen Kindes, Jesus. Der kommt in prekären Umständen auf die Welt und schlägt sich mit seinen Eltern irgendwie durch.

Wenn Warten belohnt wird

Dann wird deutlich: Ausgerechnet in diesem Kind stellt sich Gott an die Seite derer, die es schwer haben. Zu ihnen kommt Gott mit seiner Liebe. Darauf muss man manchmal warten. Länger als einem lieb ist. Vielleicht muss man es sogar herbeiwarten. Aber irgendwann wird das Warten doch belohnt.