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Baumgarten, Eva-Maria

Ein Sendung von

Katholische Gemeindereferentin im PV St. Michael Hohe Rhön

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Vom Bergglück und Gipfelerlebnissen

Letztes Jahr im Spätsommer war ich zum ersten Mal in den Bergen. Also so richtig: Ich stehe auf 2.995 m, lasse meinen Blick über die Landschaft schweifen und bin zutiefst beeindruckt: Die schroffen Felsen, das Eis des Gletschers, aufziehender Nebel, während mir die Sonne ins Gesicht scheint und ein warmer Wind um die Nase weht. Allein die Erinnerung macht mich noch immer sprachlos, denn so überwältigt bin ich noch heute von dieser Schönheit, die der Dachstein für mich in diesem Moment offenbart.

Mit mir dort ist eine Reisegruppe unserer Pfarrei, und gemeinsam erleben wir Kultur und Natur der Steiermark. Mehr Programm bräuchte ich allerdings für den Rest des Tages nicht mehr - vielmehr möchte ich bleiben und staunen. Vielleicht haben Sie schon einmal Ähnliches erlebt oder freuen sich darauf, demnächst ein paar freie Tage in den Bergen zu verbringen.

Der Berg als Sehnsuchtsort

Heute zaubert mir die Rückschau ein Lächeln ins Gesicht. Der Berg ist für mich zum Sehnsuchtsort geworden und hat mich in meinem Glaubensverständnis ein ganzes Stück weitergebracht. In der Bibel ist der Berg oft der Ort der Gottesbegegnung - vermutlich sagen wir deshalb, dass man auf den Bergen dem Himmel ein Stück näher ist. Nach meiner Bergerfahrung kann ich das auf jeden Fall unterschreiben. Und vielleicht würden Petrus, Johannes und Jakobus, drei der Jünger Jesu, mir beipflichten. Sie sind nämlich die drei, die Jesus einmal mitgenommen hat - hinauf auf den Berg, auf den er sich zum Beten zurückziehen wollte. Was sie dort erfahren, wird auch für sie zum Gipfelerlebnis.

Nach dem biblischen Bericht des Evangelisten Lukas verändert sich im Gebet das Aussehen des Gesichtes Jesu und sein Gewand wird leuchtend weiß. Danach erscheinen Mose und Elija, die mit ihm sprechen. Die drei Jünger verschlafen zunächst diesen Moment, doch als sie erwachen, sind sie überwältigt von der Schönheit des Augenblicks, sodass Petrus bleiben will. „Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen!“ (Lk 9,33), ruft er aus. Doch dann geschieht das, was zumindest in den Alpen auch zum Gipfelerlebnis gehört: Dort, wo gerade noch klare Sicht war, zieht binnen weniger Momente Nebel auf und hüllt die Bergspitze in eine Wolke. Von den Jüngern heißt es, dass sie sich fürchteten, als sie in die Wolke gerieten. In der Wolke aber spricht Gott: „Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.“ (Lk 9,35)

Gott ist da, auch hinter den dichtesten Wolken

Für mich wird das Bild des Berges immer mehr zum Ausdruck meines Glaubens und meiner Gottesbeziehung. Ab und zu schenkt Gott mir Momente der Klarheit, in denen ich meine, etwas von ihm und vom Leben verstanden zu haben. Aber viel öfter erfahre ich mich in den Nebelwolken; da fehlen die Weitsicht und der Überblick. Genau hierin liegt vermutlich die große Kunst des Glaubens: mich nicht auf den einen Sinn – das Sehen – zu verlassen, sondern in ebensolchen Situationen mehrdimensional wahrnehmen: Hören, wo Gottes Wort mich anspricht; schmecken und nachkosten, wo Gott mir Gutes gönnt; begreifen, dass Gott da ist – selbst, wenn Wolken aufziehen.

Vielleicht ist heute ein guter Tag für eine Bergtour – es muss ja nicht gleich ein Dreitausender sein. Manchmal genügt schon der innere Weg auf den Berg, um mit einem Perspektivwechsel staunend wahrzunehmen, dass Gott alles überragt und so viel größer ist als alles Menschengemachte.

In diesem Sinne: Einen guten Aufstieg!