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Reuter, Eva

Ein Sendung von

Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen

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Tag der jüdischen Kultur

„People of the Book“, „Volk des Buches“, so lautet in diesem Jahr das Motto des „Europäischen Tags der jüdischen Kultur“. Er findet morgen, am 7. September, in rund dreißig Ländern statt. Der Aktionstag wird von jüdischen und nichtjüdischen Organisationen gemeinsam veranstaltet. Ziel ist es, jüdische Geschichte, Traditionen und Bräuche bekannter zu machen.

"People of the Book"

„People of the Book“ – Volk des Buches, bei mir als Theologin klingt da Vieles mit. Seit sehr langer Zeit wird der jüdische Glaube auch schriftlich weitergegeben.

Als Christin stehe ich in dieser Tradition. Die Tora – die fünf Bücher Mose – sind ja auch Teil der christlichen Bibel und damit auch meines Glaubens. Ich gehöre als Christin auch zu einem Volk des Buches.

Jüdische Kultur ist auch bei uns zu finden

Für mich passt das sehr gut. Denn wie die jüdische Tora Teil meiner christlichen Bibel ist, steckt auch ganz viel jüdische Kultur in unserer europäischen oder deutschen Kultur. Deutlich wird das etwa auch in der Sprache: Im Deutschen sind jiddische Worte fest verankert. Jiddisch ist eine fast tausend Jahre alte Sprache mit Wurzeln im Mittelhochdeutschen und Komponenten aus vielen anderen Sprachen.

Ursprünglich war es eine eigene Sprache der Jüdinnen und Juden, mit der Zeit wurden Begriffe aber auch in die hochdeutsche Sprache übernommen. Ein Beispiel: Ich komme aus einem Kaff und wenn ich Pleite gehe, habe ich es echt vermasselt – das macht mich ganz meschugge! Allein in diesem Satz sind es vier Wörter.

Der Antisemitismus nimmt zu 

Durch die Shoah, die Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden durch die Nazis, ging sehr viel der jüdischen Alltagskultur in Europa – und besonders in Deutschland - verloren. Der zunehmende Antisemitismus trägt leider dazu bei, dass viele Jüdinnen und Juden sich nicht mehr trauen, ihre Kultur offen zu zeigen. Deshalb bin ich sehr froh, dass es diesen „Tag der jüdischen Kultur“ gibt und dass an vielen Orten Türen zu den verborgenen Schätzen dieser Kultur geöffnet werden. 

In vielen hessischen Städten findet Anfang September sogar eine ganze jüdische Kulturwoche statt. Zahlreiche Museen, Gedenkstätten, Synagogen und Friedhöfe öffnen ihre Türen und laden dazu ein, die vielen Facetten der jüdischen Kultur kennenzulernen – zum Beispiel auch in Darmstadt oder Wiesbaden.

Dankbar für die Vielfalt in meinem Leben

Für mich als Christin ist so ein Tag auch Anlass, mich mit den jüdischen Wurzeln meines Glaubens zu beschäftigen und dankbar zu sein für die kulturelle Vielfalt, die wir heute leben dürfen.

Vielleicht lese ich morgen auch ganz bewusst im „Buch der Bücher“, der Bibel. Sicher nehme ich mir ein bisschen Zeit, um beim Lesen in der Tora, den fünf Bücher Mose, darüber nach zu denken, was uns verbindet als „Völker des Buches“. Über die Religion hinaus sind es gemeinsame kulturelle Erbstücke wie die Sprache oder bestimmte Gerichte oder die Musik. In jedem Fall freue ich mich auf die Begegnung mit europäischen Menschen unterschiedlichen Glaubens.