hr2 ZUSPRUCH
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Reuter, Eva

Eine Sendung von

Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen

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Eine bronzene Skulptur eines jungen Mannes, der mit beiden Händen eine Krone über seinem Kopf hält. Der Gesichtsausdruck wirkt stolz und entschlossen. Der Himmel im Hintergrund ist hell und wolkig.

Oh! König aller Völker

„Oh Gott!“ Oder „Oh du meine Güte!“ – diese Ausrufe benutze ich im Alltag immer wieder, wenn ich über etwas erschrecke oder bestürzt bin. Oft denke ich dann: Das ist zu viel! Das ist zu groß für mich! Das schaffe ich nicht! In gewisser Weise ist es ein ganz kurzes Gebet – denn „O Gott!“ ruft ja Gott an. Er soll auf das Schlamassel schauen und er soll mir bitte helfen, es zu bewältigen. 

In diesen Tagen vor Weihnachten sind in den katholischen Gottesdiensten gleich eine ganze Reihe solcher „O-Ausrufe“ zu hören. Seit dem 17. Dezember wird im Stundengebet, das vor allem in Klöstern gebetet wird, jeden Tag eine andere sogenannte „O-Antiphon“ gebetet. 

Ein Schlussstein, der die Gegensätze eint

Heute, am 22. Dezember, lautet sie: „O König aller Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht; Schlussstein, der die Gegensätze eint: Komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet hast.“ 

Mit Königen habe ich so meine Schwierigkeiten. Die europäischen Königshäuser sind eher Kulisse für Klatschgeschichten. In Amerika herrscht ein Mann, gegen den Menschen protestieren mit dem Slogan „No kings“. Sie wehren sich gegen selbstherrliche Entscheidungen, eine Politik für Reiche und Starke und gegen zu viel Selbstbezogenheit. 

So einen König könnten auch wir gut gebrauchen

Um so einen König geht es im uralten Kirchengebet nicht. Es geht um Jesus, den Retter. In der Bibel kann man es nachlesen: Jesus ist kein selbstherrlicher König. Er setzt seine Macht ein, um Menschen zu heilen und ihre Würde zu wahren. Er gibt am Ende sogar seine königliche und menschliche Würde komplett ab: Als er am Kreuz stirbt, hängt über ihm eine Tafel, auf der steht sein Verbrechen: „Jesus aus Nazareth, König der Juden“. 

Der O-Ausruf im Gebet ruft einen König zu Hilfe, der sehnsüchtig erwartet wird, weil er die Gegensätze eint und die Menschen rettet. So einen König könnten auch wir gut gebrauchen, finde ich. Einen König, der die Spaltungen überwinden hilft, der uns darauf aufmerksam macht, was uns verbindet und den Menschen so einen Weg aus Chaos und Vernichtung zeigt. 

Er hat auch keinen Golfplatz und führt auch nicht Krieg

Als Christin glaube ich: Wir haben so einen König! Er sitzt nicht in einem Palast mit Ballsaal. Er hat auch keinen Golfplatz und er führt auch nicht Krieg gegen Unschuldige. Im Gegenteil: Er hat dazu aufgerufen, den Armen und Schwachen zu helfen und sich immer für Frieden einzusetzen: Jesus Christus ist ein solcher König. 

Christinnen und Christen versuchen, ihrem König zu folgen und nach seinem Plan zu handeln. Das ist in dieser Welt manchmal wirklich nicht leicht. Und deshalb rufe ich heute nach Hilfe. Gott soll kommen und mir beistehen. Ich rufe im Gebet „O Gott! - o König aller Völker, ihre Erwartung und Sehnsucht; Schlussstein, der die Gegensätze eint: Komm und errette den Menschen, den du aus Erde gebildet hast.“