Hans Müller – Bauer und Kind Gottes
Foto: Fassade der Kramerzunft am Weinmarkt in Memmingen. Die Verlesung der 12 Artikel des Bauernaufstandes.
Vor 500 Jahren tobte der Bauernkrieg. Tausend südbadische Bauern nannten sich „Evangelische Bruderschaft“. Sie wählten Hans Müller zum Chef. Er konnte gut reden und hatte Kampferfahrung. Ihre Forderungen legten sie in 16 Artikeln nieder und wollten sie mit Sensen und Mistgabeln durchsetzen.
Forderungen aus einer anderen Welt
Die Pfarrer wählen! Teure Abgaben an Bischöfe und Klöster loswerden! Keine Leibeigenschaft mehr! Jagen, fischen und mitreden dürfen! Vor allem aber – der Hauptgrund, warum sie mächtige Feinde bekamen – sie wollten landwirtschaftliche Fläche umverteilen.
Wir reden über die Wohlstandsquelle schlechthin. Essen vom Acker war das A und O. Reich war, wer Land hatte und Leute, die es bewirtschafteten. Und wer reich war, wollte daran nichts ändern. Das war damals nicht anders als heute.
Auch im Elsass, in Schwaben, Tirol und Thüringen kam es zum Aufstand. Mit dem neuen Testament auf Deutsch hatte Martin Luther revolutionären Sprengstoff geliefert. Die Menschen wurden aufgewertet. Sie waren Gottes Kinder. Sie waren nicht mehr auf Priester oder Papst angewiesen, um vor Gott gut dazustehen. Mit diesem neuen Selbstbewusstsein schauten sie nun auch auf ihren Alltag und ihre ausbeuterischen Dienstherren:
Harte Arbeit und trotzdem immer hungrig? Woher nahmen die Adligen die Legitimation, andere Menschen zu besitzen und den Wohlstand für sich zu beanspruchen, wenn sie doch alle Kinder Gottes waren?
Luther hat mit seiner Bibelübersetzung auch Sprengstoff geliefert
Luther hatte Fürsten und Bauern zur Mäßigung ermahnt. Aber nach der Ermordung eines Grafen samt Gefolge im Frühling 1525 war es ausgerechnet Luther, der den Fürsten empfahl, die Bauern totzuschlagen wie tollwütige Hunde.
Die Heere waren zahlreich, gut bewaffnet und kampferfahren. Militärisch hatten die Bauern keine Chance. Heute vor 500 Jahren wurde Hans Müller hingerichtet.
Das hätte auch Luther passieren können. Nicht allein die Bluttat der Bauern brachte ihn gegen sie auf: Auch die Gefahr! Reformatorische Fürsten wollten Unabhängigkeit von Papst und Kaiser. Teilen von Wohlstand war nichts für sie. Im Kampf taten sie sich wieder mit papst- und kaisertreuen Fürsten zusammen.
Seine Forderungen sind auch heute noch aktuell
Die Herausforderung, den Wohlstand gerechter zu verteilen, ist im 21. Jahrhundert nicht weniger aktuell als im Bauernkrieg.
Heute wie damals gibt es ein kompliziertes Gemenge aus Knappheit von Ressourcen, Sachzwängen und Machtgefälle zwischen den Interessengruppen.
Polarisieren… Interessen mit Gewalt durchsetzen… so bekam man damals keine guten Lösungen für alle, und das klappt auch heute nicht. Gegenseitiges Wahrnehmen und Dialog sind besser. Daran hat sich nichts geändert.
Und eine andere Sache ändert sich nicht: Wir sind alle Kinder Gottes.