Die heilige Ohrfeige
Sie haben gestern Abend einen Stiefel rausgestellt? Dann hoffe ich, dass er heute Morgen reich gefüllt war – mit Mandarinen, Nüssen, Schokolade und allem, was sonst noch so wie durch Zauberhand über Nacht hineingewandert ist.
Die Legende von der heiligen Ohrfeige
All das geschieht heute am Nikolaustag zur Erinnerung an den großen Bischof Nikolaus von Myra, der zu seinen Lebzeiten ein Anwalt der Armen war. Von diesem Bischof gibt es aber eine Legende, die eine ganz andere Seite von ihm zeigt: die Legende von der heiligen Ohrfeige.
Das Konzil von Nizäa
Im Jahr 325 rief Kaiser Konstantin alle wichtigen Theologen des Römischen Reiches nach Nizäa in Kleinasien. Eine Einigung sollte erzielt werden über zentrale Fragen des christlichen Glaubens. Diese Einigung war notwendig, weil das Christentum inzwischen nicht mehr verfolgt, sondern als Staatsreligion anerkannt war.
Ist Jesus mehr als nur ein Mensch?
Die Frage, über die es zu erbittertem Streit kam, lautete: Ist Jesus, der Sohn Gottes, das erste und vornehmste Geschöpf des Schöpfers – oder ist er sogar noch mehr: Ist er eines Wesens mit Gott, dem Vater? Dann wäre er ja mehr als nur ein Mensch.
Wesensähnlichkeit oder Wesenseinheit?
Die erste Position – die sogenannte Wesensähnlichkeit - war nicht so schwer zu verstehen in einer Welt zahlreicher römischer Gottheiten und Halbgötter. Die zweite jedoch, die sogenannte Wesenseinheit, eröffnete eine wunderbare Antwort auf eine schwerwiegende Frage: Wie kann ein Mensch, der ganz normal in diese Welt geboren ist, gleichzeitig derjenige sein, der mich durch seine Auferstehung vom Tod erlöst?
Die erste Auffassung wurde von Arius vertreten: Jesus ist ein ganz besonderer Mensch, aber nicht Gott.
Bischof Nikolaus vertrat aber die zweite Position: Jesus ist Gottes Sohn. Er wird als Mensch geboren, und mit dieser Doppelbestimmung erlöst er durch sein Leben und Sterben die Menschen von Sünde und Tod. Nikolaus war felsenfest überzeugt: Mit dem Glauben daran steht oder fällt die Zukunft der Christenheit.
Nikolaus griff zu einem rabiaten Mittel
Deshalb griff er – der Legende nach – zu einem rabiaten Mittel: Vor allen anwesenden Theologen des Konzils versetzte er Arius eine Ohrfeige. Ein völlig unangemessenes Verhalten auf einem Konzil. Nikolaus büßte es mit einer Zeit der Verbannung.
Doch am Ende setzte sich seine Überzeugung durch: Jesus, der menschgeborene Sohn Gottes ist eines Wesens mit dem Vater.
Weihnachten ist auch die Ankunft Gottes selbst in dieser Welt
Wenn wir also demnächst Weihnachten feiern, feiern wir nicht nur die wundersame Geburt eines besonderen Menschen, sondern die Ankunft Gottes selbst in dieser Welt – der gekommen ist, um uns vom Tod zu retten.
Welch wunderbares Geschenk, das da neben Mandarinen und Schokolade in Ihrem Stiefel liegt.– Dafür hat auch Nikolaus gesorgt.