Als Mann hat man(n)s einfach
„Als Mann werde ich in manchen Situationen systematisch benachteiligt“, das habe ich letztens von einem Bekannten gehört. Ich muss zugeben, der Satz hat mich erstmal stutzig gemacht.
Denn mein Eindruck ist oft ein anderer: Ich habe es als Mann häufig einfacher. Ich wurde in der Schule nie gefragt, ob ich Mathe überhaupt verstehe. Ich musste nie Angst haben, dass ein Kompliment plötzlich übergriffig wird. Ich wurde noch nie auf dem Heimweg von Fremden belästigt. Ich werde nicht auf mein Aussehen reduziert. Und beruflich? Da bin ich nie gefragt worden, wie ich Karriere und Kind vereinbaren will.
Ich denke oft gar nicht über all das nach – gerade das ist ja ein Privileg.
Es fehlt der Raum
Und trotzdem – mein Bekannter hat einen Punkt.
Sein Beispiel in Beziehungen: Als Mann werden die eigenen Gefühle nicht immer ernst genommen. Da gibt es dann den Versorger, jemand, der funktionieren soll – aber nicht wirklich Raum hat, um Gefühle zu zeigen. „Ich darf stark sein – aber bitte nicht sensibel.“
Und ehrlich gesagt: Das kenne ich auch.
Ich merke, wie tief dieses Bild vom „richtigen Mann“ auch bei mir sitzt. Der, der keine Angst hat. Auf alles eine Antwort weiß. Der nicht weint. Der sich zusammenreißt. Schon als Kind hieß es: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“
Heute höre ich eher: „Zeig doch mal Gefühle – aber bitte nicht zu viel, sonst bist du schwach.“
Das ist ein Dilemma.
Wir Männer sollen verständnisvoll sein, reflektiert, emotional zugänglich – aber gleichzeitig souverän, zielstrebig und kontrolliert. Das ist ein großer Spagat.
Gefangen in der Vergangenheit
Und in Beziehungen wird das besonders deutlich. Wenn ich Probleme habe, ziehe ich mich eher zurück – nicht, weil es mir egal ist, sondern weil ich nicht gelernt habe, wie man gut über Gefühle oder auch Konflikte spricht. Viele von uns haben das nie üben dürfen. Und es tut weh, das vielleicht erst sehr spät zu bemerken.
Ich glaube: Männer sind nicht benachteiligt wie Frauen. Aber sie sind oft gefangen – in einem alten Rollenbild, das längst nicht mehr zu unserer Zeit passt und uns gut tut. Gleichberechtigung heißt für mich eben nicht nur: Frauen stark machen. Sondern auch: Männern erlauben, weich zu sein. Ehrlich. Und verletzlich.
Denn: Alle Menschen sind mit der gleichen Würde geschaffen. Und die gilt unabhängig von Geschlecht, Rolle oder Stärke. Sie gilt einfach, weil jeder Mensch ein Mensch ist. Als Christ glaube ich daran: Wir Menschen sind Ebenbilder Gottes. Ich denke, da dürfen wir auch als gleichberechtigte Ebenbilder neue Wege gehen.
Vielleicht ist der moderne Mann keiner, der immer weiß, wo’s langgeht. Sondern einer, der auch mal sagt: „Ich weiß es gerade nicht. Aber ich will’s verstehen.“
Vielleicht ist das der Anfang von etwas Neuem. Ich habe mir vorgenommen, wieder mehr auf meine Gefühle zu achten und sie zu kommunizieren.