Kein Durchblick?
„Wie oft seh ich vor Bäumen den Wald nicht mehr? Wie oft lass ich mich stehen, lauf anderen hinterher? Vergrab meine Träume, leih mir andere aus. Mein Original gegen eine Kopie getauscht?“ So heißt es in einem Liedtext der deutschen Sängerin Lotte.
Wer kennt das nicht? Vor lauter Bäumen kann ich den Wald nicht sehen. Ich bin so sehr mit Kleinigkeiten beschäftigt, ich halte mich mit Einzelheiten auf – und übersehe dabei das große Ganze.
Den Blick fürs Wesentliche schärfen
Die Redewendung „vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen“ ist vor allem durch den deutschen Dichter Christoph Martin Wieland (1733-1813) im 18. Jahrhundert bekannt geworden. Wieland erwähnt dieses Bild immer wieder in seinen literarischen Werken und meint damit plakativ: Etwas, das ich suche, kann ich nicht finden, obwohl es direkt vor mir liegt.
Ja, das passiert mir auch oft. Ich setze mich mit Details auseinander, grüble über eigentlich Nebensächliches stundenlang: Wieso? Weshalb? Warum? Manchmal kommt es vor, dass ich mich im Kleinteiligen verliere und dabei den größeren Zusammenhang aus dem Blick verliere - das, worauf es wirklich ankommt. Aber worauf kommt es denn wirklich an? Was ist also der größere Zusammenhang? Dass ich lebe, dass ich gesund bin, dass es mir gut geht. Ist das nicht das Wesentliche? Ist das nicht der Wald, den ich manchmal vor lauter Bäumen nicht sehen kann?
Den Fokus nicht verlagern
Stattdessen gebe ich dem Ärgerlichen viel mehr Raum. All das kann mich manchmal länger beschäftigen als das Glück, gesund mein Leben zu leben. „Wie oft lass ich mich stehen, lauf anderen hinterher“ – heißt es in dem Song von Lotte. Ja, das kenne ich auch: mich stehen lassen. Aber das kommt auch deswegen vor, weil wir Menschen keine Maschinen sind. Ich muss mit meinem Selbst, mit meinen Gedanken, mit meinen Empfindungen hinterherkommen. Das Leben besteht nicht nur aus dem Abhaken von To-do-Listen. Manchmal ist es so viel komplexer – und dann lasse ich mich stehen.
Wo finde ich meine Ruhe-Oase?
Über Jesus wird in der Bibel berichtet, dass er in einer vergleichbaren Situation seine Freunde aufforderte: „Kommt, wir gehen an einen einsamen Ort, wo wir allein sind und wo wir uns ein wenig ausruhen können.“ Einen einsamen Ort aufsuchen, um zur Ruhe zu kommen. Sich konsequent aus dem Alltag nehmen, einen Schritt zur Seite treten und verharren. Das kann eine Kraftquelle sein.
Ich wünsche mir und Ihnen, dass Sie sich Zeit nehmen können, um Argumente und Meinungen gut abwägen zu können, um gute Entscheidungen zu treffen und sich selbst zu spüren, damit wir alle vor lauter Bäumen den Wald sehen können.