hr2 ZUSPRUCH
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Wöllenstein, Andrea

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin, Marburg

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Wo bist du?

„Wo bist du?“ so lautet die erste Frage, die gleich zu Beginn der Welt dem Menschen gestellt wird? Nach der Erzählung der Bibel wird sie schon im Paradies ausgesprochen. Gleich auf den ersten Seiten des Alten Testaments stellt Gott Adam und Eva diese Frage (1. Mose 3,9): Wo bist du?.

Warum fragt Gott Adam und Eva: Wo bist Du?

Die beiden hatten nicht auf Gottes Gebot gehört und von der verbotenen Frucht gegessen. Nun haben sie Angst und verstecken sich unter den Bäumen im Garten. Sicher sieht Gott sie dort. Der große, allwissende Gott. Aber warum fragt er dann: „Wo bist du?“ Was will er wissen?

Gott interessiert nicht, hinter welchem Busch sie sich versteckt haben. Es ist keine Frage der physischen, vielmehr der geistigen Anwesenheit. Eine Frage der Präsenz. Wo seid ihr? Was habt ihr mit dem Geschenk des Lebens gemacht, das ich euch gegeben wurde? 

„Wo bist du?“ Auch eine Frage an uns

„Wo bist du?“ Diese Frage geht auch an uns. Heute Morgen und immer. Egal, wo wir sind – am Frühstückstisch, im Auto oder an der Arbeit.
Wo bist du mit deinen Gedanken? Wo ist deine Seele? Bist du da, präsent, wo du bist? Anwesend mit Leib udn Seele? Oder bist du noch bei den Gesprächen von gestern Abend oder schon wieder bei den Plänen für heute Nachmittag? Und: Wo bist du mit deinem Leben? 

Charles Adam und sein Sohn

Dazu eine kleine Anekdote. Charles Adams, ein ehrgeiziger Politiker in den USA des 19. Jahrhunderts, führte ein Tagebuch. Eines Tages machte er folgenden Eintrag: „War heute mit meinem Sohn angeln - Tag vergeudet.“ Auch sein Sohn führte ein Tagebuch. Am selben Tag notierte er: „Ich war mit meinem Vater fischen - der schönste Tag meines Lebens“. Charles Adams hat verpasst, was dieser Tag hätte sein können - für ihn und für die Beziehung zu seinem Sohn. Jeder Tag, den wir erleben ist einzigartig. Es gibt keine Garantie für das Morgen, aber es gibt immer eine Garantie für das Jetzt. Das Jetzt ist hier fragt: „Was wollt ihr mit mir machen?“

Impulse, um eigene Antworten zu finden

Gottes Frage „Wo bist du?“ Die Frage lädt mich ein, immer wieder hinzuspüren. Wo bin ich mit meinem Leben? Wo bin ich jetzt und wie bin ich da? Bin ich dort, wo ich sein will? Bin ich so, wie ich sein möchte?

Einen Augenblick innehalten. Mich spüren. In Kontakt kommen. Mit den Ohren des Herzens lauschen auf Gottes Frage. Und antworten. Wach und präsent für das, was Gott heute für mich bereithält: „Hier bin ich!“