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Woernle, Hannah

Eine Sendung von

Evangelische Pfarrerin in Alsbach/Bergstraße

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Vertraut den neuen Wegen!

Es ist Sommer – und für mich heißt das auch: Hochzeitsaison! Gleich mehrere Paare sagen Ja zueinander. Und ich freue mich darauf, das mit ihnen zusammen zu feiern. Denn es berührt mich mitzuerleben, wie sich ein Liebespaar etwas so Bedeutsames verspricht: Wir zwei gehen gemeinsam in die Zukunft. Ich finde das wunderbar mutig.

Eine der Bräute hat zu mir gesagt hat: "Ist es nicht verrückt, gerade jetzt zu heiraten? Zwischen Inflation, Kriegsnachrichten und Klimawandel feiern wir unsere Liebe. Dabei wissen wir nicht, welche Herausforderungen noch auf uns zukommen."

Hochzeit in einer krisengebeutelten Welt

Als ich meinen Mann mitten in der Corona-Pandemie geheiratet habe, hatte ich ganz ähnliche Gedanken. Es kam mir geradezu verwegen vor, in dieser krisengebeutelten Welt Ja zu sagen zu einer gemeinsamen Zukunft. Denn wie die wird, das können wir nicht wissen. Das hat uns die Pandemie deutlich gezeigt.

Bei unserer kirchlichen Hochzeit haben wir damals ein Lied gesungen, das für mich genau in diese Situation gepasst hat. "Vertraut den neuen Wegen" heißt es (Evangelisches Gesangbuch Nummer 395). Später habe ich erfahren, dass dieses Lied tatsächlich für eine Hochzeit geschrieben wurde.

Eine Trauung im August 1989

Der Theologe Klaus-Peter Hertzsch hat es für seine Patentochter und ihren Mann gedichtet. Die beiden haben im August 1989 in Eisenach geheiratet. Knapp 100 Tage vor dem Fall der Mauer. Auch das war politisch keine einfache Zeit. Niemand konnte ahnen, wie die Zukunft aussehen würde.

Ich stelle mir vor, dass sich der Patenonkel viele Gedanken gemacht hat. Was kann er dem Brautpaar mitgeben, damit sie trotz allem zuversichtlich in die Ehe starten? Er entscheidet sich dafür, ein Lied für die beiden zu schreiben.

Hochzeitslied im Hotelzimmer gedichtet

Noch am Abend vor der Hochzeit dichtet er es auf seinem Hotelzimmer fertig und gießt all die Hoffnung hinein, von der er selbst zehrt und die er dem Paar mit auf den Weg geben möchte: "Vertraut den neuen Wegen, auf die uns Gott gesandt! Er selbst kommt uns entgegen. Die Zukunft ist sein Land."

Ich finde diese Worte großartig, weil sie meine Perspektive verändern. Was die Zukunft bringt, kann man nicht voraussehen. Aber für den Patenonkel und Liederdichter ist eins trotzdem klar: Gott erwartet uns dort schon. Komme, was wolle.

Das Lied geht so weiter: "Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.2

Im Sommer ´89 in Ostdeutschland von einem hellen und weiten Land zu singen – das hat sich damals bestimmt verwegen angefühlt.

Sich trauen ist immer ein Wagnis

Auch heute empfinden viele die Zukunft als bedrohlich und ungewiss. Mir machen die Paare Mut, die auch jetzt noch Ja zu einer gemeinsamen Zukunft sagen. Es gab wohl keine Zeit, in der man ganz ohne Wagnis geheiratet hat. Trotzdem trauen sich noch immer Paare – im wahrsten Sinn des Wortes.

Ich freue mich, in den kommenden Wochen die Liebe hochleben zu lassen. Voll Vertrauen, dass Gott auf den Wegen in die Zukunft entgegenkommt. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.