hr2 ZUSPRUCH
hr2
Reuter, Eva

Ein Sendung von

Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen

Verschiedenheit und Vielfalt sind gewollt

Heute ist Regenbogentag. Nein, ich meine nicht das Wetter! Heute werden an vielen Orten Regenbogen-Fahnen gehisst. Heute ist nämlich „Christopher Street Day“. Der CSD erinnert an den ersten bekanntgewordenen Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten gegen die Polizeiwillkür 1969 in der New Yorker Christopher Street. 

Die Welt als seine Schöpfung zu sehen

Heute werden in Erinnerung an diesen Protest in vielen großen Städten Paraden organisiert, die laut und schrill gegen Diskriminierung von Schwulen, Lesben, transgender Personen und anderen sexuellen Minderheiten demonstrieren.

 

Und heute ist auch der Gedenktag des Heiligen Kirchenlehrers Irenäus von Lyon. Und was scheinbar so gar nicht zusammenpasst, passt in meinen Augen sehr gut. Irenäus hat nämlich als einer der ersten Gelehrten im 2. Jahrhundert systematisch aufgeschrieben, woran Christinnen und Christen glauben. Dabei beschreibt er ausführlich, wie sie sich den Schöpfergott vorstellen und wie die Welt als seine Schöpfung zu sehen ist. 

 

Gott...ein sehr kreativer Künstler

Er schreibt: Die große Vielfalt der geschaffenen Dinge und Lebewesen lässt sich mit dem Klang einer Zither vergleichen. Wenn einzelne Saiten gezupft werden, sind ganz verschiedene Töne zu hören. Ein schöner Klang und eine Melodie entstehen aber erst durch das Zupfen mehrerer Saiten. Hätten alle Saiten denselben Klang, wäre es keine Musik!

Irenäus nimmt das musikalische Beispiel, um etwas Wichtiges zu erklären: Gott hat alle Dinge geschaffen und die Verschiedenheit der Lebewesen ist kein Grund, an Gott zu zweifeln – ganz im Gegenteil. Der Gelehrte meint: Gott hat alles gut geschaffen, so wie es ist. Und die Vielfalt der Geschöpfe ist ein Beweis dafür, dass Gott ein sehr kreativer Künstler ist. Erst durch die Verschiedenheit der Geschöpfe wird die Schöpfung perfekt.

Verschiedenheit ist toll!

Ich finde das wunderbar und traurig zugleich.  Wunderschön finde ich, dass schon vor 1800 Jahren ein weiser Gelehrter erkannt hat: Verschiedenheit ist toll! Es ist nichts falsch daran, anders zu sein, und erst die Verschiedenheit der Töne und ihre Kombination macht geniale Musik möglich.

Traurig macht mich: Auch heute noch gibt es viele Menschen – auch und gerade in meiner Kirche –, die das nicht akzeptieren können oder wollen.

Der stark diskutierte Grundlagentext

Es ist in vielen Bereichen immer noch nicht selbstverständlich, homosexuelle Menschen einfach so zu akzeptieren wie sie sind. Beim „Synodalen Weg“, dem Erneuerungsprozess in der katholischen Kirche, wurde zwar ein Grundlagentext beraten, der aber im letzten Jahr sehr kontrovers diskutiert wurde. Nun liegt er als „Empfehlung“ zur Neubewertung der Homosexualität nach neuen theologischen und humanwissenschaftlichen Erkenntnissen beim Papst in Rom.

So ähnlich hat er es schon mal formuliert

In dem Text heißt es: „Jeder Mensch ist mit seiner Geschlechtlichkeit von Gott geschaffen und hat in diesem Geschaffensein eine unantastbare Würde. Zu jeder menschlichen Person gehört untrennbar ihre sexuelle Orientierung. Sie ist nicht selbst ausgesucht und sie ist nicht veränderbar. Als Gottes Ebenbild gebührt jedem Menschen Achtung und Respekt, unabhängig der sexuellen Orientierung. Alle Gläubigen sind dazu verpflichtet, aktiv gegen jede Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vorzugehen.“ (Handlungstext Lehramtliche Neubewertung von Homosexualität, Synodaler Weg 8)

Genau so sehe ich das. Eigentlich ist das lange klar. So ähnlich hat das Irenäus von Lyon im 2. Jahrhundert schon mal formuliert. – ich feiere ihn heute – mit einer Regenbogenfahne!