Tränen können trösten
„Jungen weinen nicht“ hieß es noch in der Generation meiner Eltern. Eine Kultur, die eigenen Tränen zurückzuhalten wird aber auch heute noch von vielen Menschen gepflegt. In der Tat gibt es in der Welt, aber erst recht im persönlichen Leben viele Situationen, in denen man Tränen vergießen kann. Ich selbst bin sogar so veranlagt, dass ich in mich tief beeindruckenden Situationen weine. Tränen begleiten Situationen des Leides oder der Freude. Dies bestätigt auch eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung aus dem Jahr 2015 und die Zahlen haben sich bis heute sicherlich nicht stark verändert. Danach gaben 83 Prozent der Frauen an, innerhalb des vergangenen Jahres geweint zu haben, und immerhin auch knapp 43 Prozent der befragten Männer. Ich gehöre übrigens zu der nur 5,1 Prozent kleinen Gruppe der Männer, die laut der Studie auch bei Filmen im Kino oder vor dem Fernseher weinen.
In den westlichen Kulturen wird vor allem zu Hause geweint, meist allein oder im Beisein des Partners, der Partnerin oder der Mutter. Die Auslöser für die Tränen sind schnell genannt und drei Gründe führen die Liste an: Der Verlust einer nahestehenden Person, rührende Filmszenen und Wut und Enttäuschung. Aber auch körperliche Schmerzen, Streit mit dem Partner oder Stress und Erschöpfung sind Gründe für das Weinen.
Wieskirche in Bayern – Ort der Tränen und des Trostes
Tränen können aber noch eine andere Funktion haben. Sie können trösten. Dies ist eine Wahrheit, die in der christlichen Tradition tief verwurzelt ist. Viele Menschen kennen die prächtige Wieskirche in Bayern. Sie ist aber nicht nur ein berühmter architektonischer Prunkbau und UNESCO Weltkulturerbe, sondern auch Wallfahrtskirche. Dort wird sogar jedes Jahr ein Tränenfest gefeiert. Es erinnert an ein Wunder, das sich im 18 Jahrhundert ereignet hat. Eine Statue des gegeißelten Heilandes hat Tränen geweint und damit die Gläubigen getröstet. In einer Predigt beim Tränenfest im Juni dieses Jahres hat der Augsburger Bischof Dr. Bertram Mayer die Tatsache „Tränen können Trösten“ in seiner Predigt aufgegriffen.
Christen können sich auf die Verheißung Gottes verlassen, dass sie getröstet werden, wenn sie traurig sind. Das wird in der Bibel, ganz genau im Psalm 33,19, verheißen: „Nahe ist der HERR den zerbrochenen Herzen und dem zerschlagenen Geist bringt er Hilfe.“
Auch Jesus hat geweint
Auch Jesus Christus selbst hat Tränen vergossen, etwa als er vom Tod seines Freundes Lazarus erfuhr. Das Johannesevangelium beschreibt es mit kurzen klaren Worten (Joh,19,35): „Da weinte Jesus.“
Ein Hinweis wie Jesus mit den Menschen leidet. Zugleich drückt er damit aus, dass es in Ordnung ist, eigene Emotionen vor Anderen zu zeigen.
Die Tränen Jesu und das Tränenfest in der Wies, erinnern mich daran, dass wir in schwierigen Zeiten nicht allein sind und uns auch von ihm trösten lassen können. Gut tut es auch, von Mitmenschen getröstet zu werden. Aber wir selbst können auch Anderen erlauben und sie ermuntern, ihre Tränen zu zeigen und ihnen in schwierigen Situationen beistehen. Dazu ermuntert auch der Römerbrief (12,15) in der Bibel: „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden!“
Nicht nur das Tränenfest in der Wies, sondern auch unsere Lebenserfahrung erinnert uns daran, dass Tränen nicht nur Ausdruck von Trauer und Schmerz sind, sondern auch Zeichen von Trost und Hoffnung sind. Tränen können trösten!