hr1 ZUSPRUCH
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Findeis-Dorn, Christine

Ein Sendung von

Supervisorin/Coach DGSv, Wiesbaden, katholisch

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Radikal freundlich

Um Bücher auf Bestsellerlisten mache ich in der Regel einen großen Bogen. Es ist mir verdächtig, wenn sie da so angepriesen werden: x Wochen auf Platz 1 der Bestsellerliste von y. Da kann ich richtig bockig werden: Nein, das lese ich jetzt erst recht nicht.

Trotzdem hat mich der Titel gepackt

Oft packt mich dann aber doch etwas - der Klappentext, das Inhaltsverzeichnis oder einfach der Titel. So ging es mir im Sommer mit dem Buch von Nora Blum: „Radikale Freundlichkeit“ – und dem verheißungsvollen Untertitel „Wie sie dein Leben revolutioniert“.

Bestsellerbücher und Anleitungen zur Selbstoptimierung sind nicht meins

Aber nicht nur Bestsellerbücher sind mir verdächtig – auch Anleitungen zur Selbstoptimierung. Wie ich gesünder, schlanker, erfolgreicher oder gelassener werden kann. So viel habe ich schon gelesen und ausprobiert, und oft sind die alten Gewohnheiten dann doch stärker.

Freundlich bin ich gerne - kann aber auch unfreundlich

Und was die Freundlichkeit betrifft: Freundlich bin ich gerne und oft, das glaube ich wenigstens von mir. Aber ich kann auch richtig unfreundlich werden. Wenn mich jemand reizt durch Verhalten und blöde Sprüche. Oder durch Trödeln, das kann mich auf die Palme bringen. Also habe ich ihn mir dann doch gekauft, diesen Bestseller zur „radikalen Freundlichkeit“. Und mit großem Interesse gelesen.

Den Kreislauf von Ärger und Reaktion durchbrechen

Radikal heißt ja „wurzelhaft“, also grundsätzlich. Wohlgemerkt: Die Autorin, selbst Psychologin, meint damit nicht: Zu allem Ja und Amen sagen. Sondern den Kreislauf von Ärger und Reaktion durchbrechen. Ich kann lächeln statt mürrisch sein. Und statt etwas zu tun, was ich nicht möchte, kann ich rechtzeitig eine Grenze setzen, statt mich später über mein Gegenüber oder mich selbst zu ärgern.

Mich erinnert diese radikale Freundlichkeit an einen Ausspruch Jesu in der Bergpredigt der Bibel: „Selig sind die Sanftmütigen (Matthäus-Evangelium 5,5).

Es gibt schön viel zu üben

Ob ich mit meinem Temperament jemals sanftmütig werden kann, das weiß ich nicht. Aber „radikale Freundlichkeit“ – die habe ich mir jetzt vorgenommen. Zum Beispiel beim Autofahren. Oder Einkaufen. Und was soll ich nach ein paar Tagen sagen: Es gibt ganz schön viel zu üben. Aber auch mir selbst geht es besser bei diesem Versuch: radikal freundlich sein.